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Pressemitteilung
C-601/14;
Verkündet am: 
 11.10.2016
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Italien hat dadurch gegen seine unionsrechtlichen Verpflichtungen verstoßen, dass es nicht für die Opfer aller in grenzüberschreitenden Fällen vorsätzlich begangener Gewalttaten eine gerechte und angemessene Entschädigung gewährleistet
Leitsatz des Gerichts:
Die Mitgliedstaaten müssen für die Opfer nicht nur Zugang zu einer Entschädigung entsprechend dem Verbot der Diskriminierung gewährleisten, sondern vor allem auch eine Mindestentschädigung bei allen Arten von Gewalttaten
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Gemäß einer Unionsrichtlinie1 sollten Opfer vorsätzlicher Gewalttaten unabhängig davon, an welchem Ort in der Europäischen Union die Straftat begangen wurde, Anspruch auf eine gerechte und angemessene Entschädigung für die ihnen zugefügte Schädigung haben. Die Mitgliedstaaten müssen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen.

In Italien ist in verschiedenen „Spezialgesetzen“ unter bestimmten Umständen eine staatliche Entschädigung von Opfern bestimmter Arten von vorsätzlichen Gewalttaten (insbesondere Straftaten, die einen Bezug zum Terrorismus oder zur organisierten Kriminalität aufweisen) vorgesehen. Seit Umsetzung der Richtlinie in Italien gelten diese Gesetze auch in grenzüberschreitenden Fällen (in aller Regel, wenn das Opfer eines in Italien begangenen Delikts Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist).

Die Kommission hat beim Gerichtshof eine Vertragsverletzungsklage gegen Italien erhoben. Sie macht geltend, Italien habe dadurch gegen seine unionsrechtlichen Verpflichtungen verstoßen, dass es keine allgemeine Entschädigungsregelung eingeführt habe, die alle Arten von vorsätzlichen Gewalttaten in grenzüberschreitenden Fällen erfassen könne (wie Vergewaltigung, schwere sexuelle Übergriffe, Tötungsdelikte, schwere Körperverletzungsdelikte und generell jede Straftat, die nicht unter die „Spezialgesetze“ falle).

Italien hält dem entgegen, dass es seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie nachgekommen sei. Nach seiner Ansicht ergibt sich aus der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten Unionsbürgern mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat nur den Zugang zu den Entschädigungssystemen ermöglichen müssten, die bereits nach ihrem jeweiligen Recht für ihre Staatsangehörigen bestünden.

In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass das durch die Richtlinie eingeführte System der Zusammenarbeit verlangt, dass das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit beachtet wird, wenn es darum geht, dass Opfer von Straftaten in grenzüberschreitenden Fällen Zugang zur Entschädigung erhalten. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten auch, zum Schutz der Freizügigkeit in der Union nationale Regelungen zu erlassen, die in diesen Fällen eine gerechte und angemessene Mindestentschädigung für die Opfer aller im Inland vorsätzlich begangenen Gewalttaten gewährleisten.

Die Mitgliedstaaten sind grundsätzlich befugt, die Bedeutung des Begriffs „vorsätzliche Gewalttat“ im innerstaatlichen Recht zu klären. Sie können jedoch nicht den Anwendungsbereich der Opferentschädigungsregelung auf nur bestimmte vorsätzliche Gewalttaten beschränken.

Der Gerichtshof gelangt zu dem Ergebnis, dass Italien dadurch, dass es nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass in grenzüberschreitenden Fällen eine Regelung für die Entschädigung der Opfer aller in seinem Hoheitsgebiet vorsätzlich begangenen Gewalttaten besteht, die Richtlinie nicht korrekt umgesetzt hat.

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HINWEIS: Eine Vertragsverletzungsklage, die sich gegen einen Mitgliedstaat richtet, der gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen hat, kann von der Kommission oder einem anderen Mitgliedstaat erhoben werden. Stellt der Gerichtshof die Vertragsverletzung fest, hat der betreffende Mitgliedstaat dem Urteil unverzüglich nachzukommen.

Ist die Kommission der Auffassung, dass der Mitgliedstaat dem Urteil nicht nachgekommen ist, kann sie erneut klagen und finanzielle Sanktionen beantragen. Hat ein Mitgliedstaat der Kommission die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie nicht mitgeteilt, kann der Gerichtshof auf Vorschlag der Kommission jedoch bereits mit dem ersten Urteil Sanktionen verhängen.
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1Richtlinie 2004/80/EG des Rates vom 29. April 2004 zur Entschädigung der Opfer von Straftaten (ABl. 2004, L 261, S. 15)
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