Pressemitteilung
C-494/15;
Verkündet am:
07.07.2016
EuGH Europäischer Gerichtshof
Rechtskräftig: unbekannt! Der Betreiber eines physischen Marktplatzes kann dazu gezwungen werden, von Händlern begangene Markenrechtsverletzungen abzustellen Leitsatz des Gerichts: Die in diesem Sinne erlassenen gerichtlichen Anordnungen unterliegen denselben Bedingungen wie jene für Betreiber von Online-Marktplätzen Zum Urteilstext (Englisch!) Zur englischen Version der Presserklärung Die Gesellschaft Delta Center ist Mieterin des Marktplatzes „Pražská tržnice“ (Prager Markthallen). Sie hat die verschiedenen auf diesem Platz befindlichen Verkaufsflächen an Händler untervermietet. Mehrere Hersteller und Vertreiber von Markenerzeugnissen haben festgestellt, dass Fälschungen ihrer Erzeugnisse in den Prager Markthallen verkauft wurden. Sie beantragten daher bei den tschechischen Gerichten, Delta Center aufzugeben, die Vermietung der Verkaufsflächen in diesen Hallen an Personen, die solche Verstöße begangen haben, zu beenden. Die Richtlinie über geistiges Eigentum1 ermöglicht es Markeninhabern nämlich, gerichtlich gegen Mittelspersonen vorzugehen, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung ihrer Marken in Anspruch genommen werden. Die Markeninhaber sind der Auffassung, dass der Betreiber eines physischen Marktplatzes ebenso wie Betreiber von Online-Marktplätzen, um die es im Urteil L’Oréal2 ging, gemäß der Richtlinie gerichtlich dazu gezwungen werden kann, die von den Händlern begangenen Markenrechtsverletzungen abzustellen und Maßnahmen zur Verhinderung erneuter Verstöße zu ergreifen. Der im Wege der Kassationsbeschwerde angerufene Nejvyššà soud (Oberster Gerichtshof, Tschechische Republik) hat dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob es tatsächlich möglich ist, dem Betreiber eines physischen Marktplatzes aufzugeben, die von den Händlern begangenen Markenrechtsverletzungen abzustellen und Maßnahmen zur Verhinderung erneuter Verstöße zu ergreifen. In seinem Urteil vom heutigen Tag stellt der Gerichtshof fest, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der Dritten eine Vermietungs- oder Untervermietungsdienstleistung von Flächen auf einem Marktplatz anbietet und so diesen Dritten die Möglichkeit bietet, dort gefälschte Waren feilzubieten, als „Mittelsperson“ im Sinne der Richtlinie qualifiziert werden muss. Der Gerichtshof hebt hervor, dass der Umstand, ob die Zurverfügungstellung von Verkaufsstellen einen Online-Marktplatz oder einen physischen Marktplatz betrifft, nicht von Bedeutung ist, weil der Anwendungsbereich der Richtlinie nicht auf den elektronischen Handel beschränkt ist. Folglich kann auch der Betreiber eines physischen Marktplatzes dazu gezwungen werden, von Händlern begangene Markenrechtsverletzungen abzustellen sowie Maßnahmen zur Verhinderung erneuter Verstöße zu ergreifen. Der Gerichtshof weist auch darauf hin, dass die Voraussetzungen, denen eine Anordnung eines Gerichts an eine Mittelsperson, die eine Vermietungsdienstleistung von Verkaufsflächen in Markthallen anbietet, unterliegt, mit den Voraussetzungen identisch sind, die für Anordnungen an Mittelspersonen auf einem Online-Marktplatz gelten. Daher müssen diese Anordnungen nicht nur wirksam und abschreckend, sondern auch gerecht und verhältnismäßig sein. Sie dürfen folglich nicht übermäßig kostspielig sein und auch keine Schranken für den rechtmäßigen Handel errichten. Auch kann von der Mittelsperson keine generelle und ständige Überwachung ihrer Kunden verlangt werden. Hingegen kann die Mittelsperson gezwungen werden, Maßnahmen zu treffen, die dazu beitragen zu vermeiden, dass erneute derartige Verletzungen durch denselben Händler auftreten. Zudem müssen die Anordnungen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Schutz des geistigen Eigentums und der Vermeidung von Schranken für den rechtmäßigen Handel sicherstellen. -------------- HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden. --------------- 1Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt im ABl. 2004, L 195, S. 16). 2Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a. (C-324/09, s. auch Pressemitteilung Nr. 69/11). ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |