Pressemitteilung
C-162/13;
Verkündet am:
04.09.2014
EuGH Europäischer Gerichtshof
Rechtskräftig: unbekannt! Der Gerichtshof klärt den Schutzumfang für Opfer von durch Fahrzeuge verursachten Unfällen Leitsatz des Gerichts: Von einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung müssen alle Unfälle gedeckt sein, die bei der Benutzung eines Fahrzeugs, die dessen gewöhnlicher Funktion entspricht, verursacht wurden Zum Urteilstext (Englisch!) Zur englischen Version der Presserklärung Eine Richtlinie der Union1 sieht u. a. vor, dass jeder Mitgliedstaat alle zweckdienlichen Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist. Die Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung werden im Rahmen dieser Maßnahmen bestimmt. Nach dem slowenischen Kraftfahrzeug-Haftpflichtgesetz hat der Eigentümer eines Fahrzeugs einen Vertrag über eine Haftpflichtversicherung für Schäden abzuschließen, die er Dritten bei der Benutzung des Fahrzeugs verursacht: Tod, Körperverletzung, Beeinträchtigung der Gesundheit oder Zerstörung und Beschädigung von Sachen; ausgenommen ist die Haftung für Schäden an Sachen, die er zum Transport übernommen hat. Im August 2007 stieß ein Traktor mit Anhänger während des Einbringens von Heuballen auf den Dachboden einer Scheune bei einem Rückwärtsmanöver im Hof des Bauernhofs, mit dem der Anhänger in die Scheune gelenkt werden sollte, gegen die Leiter, auf der Herr Vnuk stand, und verursachte dessen Sturz. Herr Vnuk erhob gegen Zavarovalnica Triglav, die Versicherungsgesellschaft, bei der der Traktoreigentümer einen Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen hatte, Klage auf Zahlung eines Betrags von 15 944,10 Euro als Ersatz für seinen Nichtvermögensschaden nebst Verzugszinsen. Im August 2007 stieß ein Traktor mit Anhänger während des Einbringens von Heuballen auf den Dachboden einer Scheune bei einem Rückwärtsmanöver im Hof des Bauernhofs, mit dem der Anhänger in die Scheune gelenkt werden sollte, gegen die Leiter, auf der Herr Vnuk stand, und verursachte dessen Sturz. Herr Vnuk erhob gegen Zavarovalnica Triglav, die Versicherungsgesellschaft, bei der der Traktoreigentümer einen Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen hatte, Klage auf Zahlung eines Betrags von 15 944,10 Euro als Ersatz für seinen Nichtvermögensschaden nebst Verzugszinsen. Das Vrhovno sodiÅ¡če (Oberster Gerichtshof, Slowenien), das mit dem Rechtsstreit im Revisionsverfahren befasst wurde, hat dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob unter den in der Richtlinie2 verwendeten Begriff der „Benutzung eines Fahrzeugs“ das Manöver fällt, das ein Traktor im Hof eines Bauernhofs ausführt, um seinen Anhänger in eine Scheune zu fahren. In seinem Urteil vom heutigen Tag merkt der Gerichtshof zunächst an, dass die Definition des Begriffs „Fahrzeug“ im Sinne der Richtlinie unabhängig von dem Gebrauch ist, der vom jeweiligen Fahrzeug gemacht wird oder werden kann. Daher ändert die Tatsache, dass ein Traktor, der eventuell einen Anhänger führt, unter bestimmten Umständen als landwirtschaftliche Arbeitsmaschine benutzt werden kann, nichts an der Feststellung, dass ein solches Fahrzeug diesem Begriff „Fahrzeug“ entspricht. Jedoch unterliegt ein Traktor mit Anhänger der Haftpflicht nur, wenn er seinen gewöhnlichen Standort im Gebiet eines Mitgliedstaats hat, der diese Art von Fahrzeug nicht von der Haftpflicht ausgenommen hat. Als Nächstes weist der Gerichtshof zur Frage, ob das Manöver, das ein Traktor im Hof eines Bauernhofs ausführt, um seinen Anhänger in eine Scheune zu fahren, unter den Begriff der „Benutzung eines Fahrzeugs“ zu subsumieren ist, darauf hin, dass dieser Begriff nicht dem Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen werden darf. Aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes folgt nämlich, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die nicht nur unter Berücksichtigung des Wortlauts, sondern auch unter Berücksichtigung des Kontexts der Vorschrift und der Ziele gefunden werden muss, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden. Der Gerichtshof erläutert in diesem Rahmen, dass die Entwicklung der Unionsregelung im Bereich der Haftpflichtversicherung zeigt, dass das Ziel des Schutzes der Opfer von Unfällen, die durch Fahrzeuge verursacht werden, vom Unionsgesetzgeber ständig verfolgt und verstärkt wurde. Daher kann nicht angenommen werden, dass der Unionsgesetzgeber Personen, die durch einen Unfall geschädigt werden, der durch ein Fahrzeug bei dessen Benutzung verursacht wird, von diesem Schutz ausschließen wollte, sofern die Benutzung der gewöhnlichen Funktion dieses Fahrzeugs entspricht. Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass Slowenien keine Art von Fahrzeug von der Haftpflichtversicherung ausgenommen hat. Außerdem wurde der Unfall, der zu dem konkreten Rechtsstreit geführt hat, von einem Fahrzeug verursacht, das im Rückwärtsgang fuhr, um an eine bestimmte Stelle zu gelangen, und scheint somit durch eine Benutzung eines Fahrzeugs verursacht worden zu sein, die dessen gewöhnlicher Funktion entsprach, was zu prüfen jedoch Sache des vorlegenden Gerichts ist. Der Gerichtshof kommt zum Ergebnis, dass der Begriff der „Benutzung eines Fahrzeugs“ im Sinne der Richtlinie jede Benutzung eines Fahrzeugs umfasst, die dessen gewöhnlicher Funktion entspricht. Ein Manöver wie das im vorliegenden Fall, das ein Traktor im Hof eines Bauernhofs ausführt, um seinen Anhänger in eine Scheune zu fahren, könnte somit unter diesen Begriff fallen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. ----------------------- HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden. ----------------------- 1Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. L 103, S. 1). 2In der slowenischen und einigen anderen Sprachfassungen. ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |