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Pressemitteilung
C-83/13;
Verkündet am: 
 08.07.2014
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-83/13
Leitsatz des Gerichts:
Die Gesellschaft muss als Dienstleistungserbringerin qualifiziert werden können, und die Empfänger dieser Dienstleistungen müssen in anderen EWR-Staaten als dem ansässig sein, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Das Unionsrecht sieht vor, dass der freie Dienstleistungsverkehr im Seeverkehr zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern auf Staatsangehörige der Mitgliedstaaten anwendbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Empfängers der Dienstleistungen ansässig sind. Sie gilt auch für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten, die außerhalb der Union ansässig sind, sowie für Reedereien mit Sitz außerhalb der Union, die von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats kontrolliert werden, vorausgesetzt, dass die Schiffe in diesem Mitgliedstaat gemäß dessen Rechtsvorschriften registriert sind1.

Fonnship ist eine norwegische Gesellschaft. Zwischen 2001 und 2003 war sie Eigentümerin eines Schiffes, das unter panamaischer Flagge fuhr, der M/S Sava Star. Dieses Schiff führte hauptsächlich Fahrten zwischen EWR-Vertragsstaaten durch. Seine Besatzung hatte die polnische und die russische Staatsbürgerschaft. Fonnship war die Arbeitgeberin dieser Besatzung.

Nach Angaben von Fonnship wurden die Löhne der Besatzungsmitglieder durch einen zwischen ihr und einer russischen Gewerkschaft geschlossenen Tarifvertrag geregelt. Als das Schiff im Hafen von Holmsund (Schweden) lag, verlangte eine schwedische Gewerkschaft, die der Meinung war, die Löhne der Besatzung der Sava Star seien nicht fair, am 26. Oktober 2001 von Fonnship den Abschluss eines von der International Transport Workers’ Federation (Internationale Transportarbeiter-Föderation) gebilligten Tarifvertrags. Da Fonnship dies ablehnte, wurden Arbeitskampfmaßnahmen eingeleitet, um u. a. die Be- und Entladung des Schiffes zu behindern. Am 29. Oktober 2001 wurde trotz der Proteste der Besatzungsmitglieder ein Tarifvertrag zwischen Fonnship und der schwedischen Gewerkschaft geschlossen. Das Schiff konnte daraufhin den Hafen von Holmsund verlassen.

Am 18. Februar 2003 lag die Sava Star im Hafen von Köping (Schweden). Zu diesem Zeitpunkt war die Vereinbarung von 2001 ausgelaufen. Nach dem Auslösen von Arbeitskampfmaßnahmen einer anderen schwedischen Gewerkschaft wurde trotz der Proteste der Besatzungsmitglieder ein neuer Tarifvertrag geschlossen. Das Schiff konnte daraufhin den Hafen verlassen.

Fonnship erhob gegen die Gewerkschaften Klage vor dem Arbetsdomstol (Arbeitsgericht, Schweden) auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die Störung der Erbringung ihrer Dienstleistungen aufgrund der Arbeitskampfmaßnahmen entstanden sei. Eine der Gewerkschaften erhob Klage vor dem Arbetsdomstol gegen Fonnship auf Schadensersatz wegen Verletzung der Vereinbarung von 2001.

In diesem Zusammenhang fragte der Arbetsdomstol den Gerichtshof, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass sich eine Gesellschaft mit Sitz in einem EWR-Vertragsstaat, die Eigentümerin eines Schiffes ist, das unter der Flagge eines Drittlands fährt, auf den freien Dienstleistungsverkehr berufen kann, wenn sie Seeverkehrsdienstleistungen von einem EWR-Vertragsstaat aus oder in diesen erbringt.

In diesem Zusammenhang fragte der Arbetsdomstol den Gerichtshof, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass sich eine Gesellschaft mit Sitz in einem EWR-Vertragsstaat, die Eigentümerin eines Schiffes ist, das unter der Flagge eines Drittlands fährt, auf den freien Dienstleistungsverkehr berufen kann, wenn sie Seeverkehrsdienstleistungen von einem EWR-Vertragsstaat aus oder in diesen erbringt.

Der Unionsgesetzgeber wollte sich durch die Einbeziehung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die in einem Drittland ansässig sind oder dort eine Reederei kontrollieren, vergewissern, dass ein bedeutender Teil der von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats gehaltenen Handelsflotte unter die Liberalisierung des Seeverkehrs fällt, so dass die Reeder der Mitgliedstaaten u. a. den von Drittländern auferlegten Beschränkungen besser entgegentreten können.

Der Unionsgesetzgeber wollte sich durch die Einbeziehung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die in einem Drittland ansässig sind oder dort eine Reederei kontrollieren, vergewissern, dass ein bedeutender Teil der von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats gehaltenen Handelsflotte unter die Liberalisierung des Seeverkehrs fällt, so dass die Reeder der Mitgliedstaaten u. a. den von Drittländern auferlegten Beschränkungen besser entgegentreten können.

Der Gerichtshof hebt hervor, dass in Anbetracht dieser Unterscheidung zu prüfen ist, ob die betreffende Person oder Gesellschaft als Erbringerin dieser Dienstleistungen angesehen werden kann. Dies ist der Fall, wenn sie das Schiff, mit dem dieser Transport durchgeführt wird, betreibt. Es fällt ausschließlich in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts, den Wahrheitsgehalt dieser Behauptung zu beurteilen.

Angenommen, Fonnship muss als Erbringerin der Seeverkehrsdienstleistungen angesehen werden, und sofern unstreitig ist, dass die Empfänger dieser Dienstleistungen im vorliegenden Fall in einem anderen EWR-Vertragsstaat als Norwegen ansässig waren, wird das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass diese Gesellschaft in den persönlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. In diesem Fall muss jede Beschränkung, die geeignet gewesen ist, ohne objektive Rechtfertigung die Erbringung dieser Dienstleistungen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklärt werden.

Die Anwendung des Unionsrechts wird in keiner Weise durch den Umstand berührt, dass das Schiff, das den Transport zur See durchführt und auf dem die Arbeitnehmer beschäftigt sind, zu deren Gunsten die Arbeitskampfmaßnahmen durchgeführt werden, unter der Flagge eines Drittlands fährt, noch dadurch, dass die Besatzungsmitglieder des Schiffes Staatsangehörige von Drittländern sind.

Die Anwendung des Unionsrechts wird in keiner Weise durch den Umstand berührt, dass das Schiff, das den Transport zur See durchführt und auf dem die Arbeitnehmer beschäftigt sind, zu deren Gunsten die Arbeitskampfmaßnahmen durchgeführt werden, unter der Flagge eines Drittlands fährt, noch dadurch, dass die Besatzungsmitglieder des Schiffes Staatsangehörige von Drittländern sind dieser Dienstleistungen in anderen EWR-Staaten als dem ansässig sind, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat.

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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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1Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern (ABl. L 378, S. 1, und Berichtigung ABl. 1988, L 117, S. 33).
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Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).