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Pressemitteilung
C-292/11 P;
Verkündet am: 
 15.01.2014
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Die Kommission kann bei der Erhebung eines vom Gerichtshof festgesetzten Zwangsgelds nicht über die Vereinbarkeit einer nicht zuvor vom Gerichtshof geprüften nationalen Regelung mit dem Unionsrecht entscheiden
Leitsatz des Gerichts:
Ein derartiger Beurteilungsspielraum würde in die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs eingreifen
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Mit Urteil vom 14. Oktober 20041 hat der Gerichtshof entschieden, dass Portugal dadurch gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, dass es seine nationale Regelung nicht aufgehoben hat2, die die Gewährung von Schadensersatz an diejenigen, die durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht über öffentliche Aufträge geschädigt wurden, davon abhängig macht, dass ein Verschulden oder Arglist nachgewiesen wird. Da sie der Ansicht war, dass Portugal diesem Urteil nicht nachgekommen sei, erhob die Kommission eine neue, auf Festsetzung eines Zwangsgelds gerichtete Klage. Mit seinem Urteil vom 10. Januar 20083 hat der Gerichtshof entschieden, dass Portugal seinem ersten Urteil von 2004 nicht nachgekommen war, da die portugiesische Regelung bei Ablauf der von der Kommission gesetzten Frist nicht aufgehoben worden war. Der Gerichtshof hat Portugal daher verurteilt, der Kommission ein Zwangsgeld in Höhe von 19 392 Euro für jeden Tag des Verzugs bei der Durchführung der Maßnahmen zu zahlen, die erforderlich sind, um dem ersten Urteil von 2004, von der Verkündung des zweiten Urteils am 10. Januar 2008 an, nachzukommen.

Am 31. Dezember 2007, also einige Tage vor Verkündung des Urteils von 2008, erließ Portugal das Gesetz Nr. 67/2007, mit dem die fragliche nationale Regelung aufgehoben und eine Neuregelung zum Ersatz vom Staat verursachter Schäden eingeführt wurde. Dieses Gesetz trat am 30. Januar 2008 in Kraft. Die Kommission war jedoch der Ansicht, dass es keine Maßnahme zur angemessenen und vollständigen Durchführung des Urteils von 2004 darstelle. Um zu vermeiden, dass der Rechtsstreit in die Länge gezogen werde, erließ Portugal darauf hin das Gesetz Nr. 31/2008 zur Änderung des Gesetzes Nr. 67/2007, wobei es aber der Ansicht war, dass das Gesetz Nr. 67/2007 alle Maßnahmen umfasse, die für die Durchführung des Urteils von 2004 erforderlich seien. Das Gesetz Nr. 31/2008 trat am 18. Juli 2008 in Kraft.

Im Verfahren der Erhebung des vom Gerichtshof festgesetzten Zwangsgelds war die Kommission der Ansicht, dass das Gesetz Nr. 67/2007 keine angemessene Umsetzung des Urteils von 2004 darstelle. Ihres Erachtens war Portugal erst mit dem Erlass des Gesetzes Nr. 31/2008 dem Urteil des Gerichtshofs nachgekommen. Daher setzte die Kommission in ihrer Entscheidung vom 25. November 2008 den Gesamtbetrag des täglichen Zwangsgelds für die Zeit bis zum 17. Juli 2008, dem Tag vor dem Inkrafttreten des letztgenannten Gesetzes, fest.

Portugal erhob daraufhin gegen diese Entscheidung der Kommission Klage beim Gericht. Mit Urteil vom 29. März 20114 hat das Gericht die Entscheidung für nichtig erklärt. Es hat entschieden, dass für die Beurteilung des Inhalts einer neuen Regelung, die ein Mitgliedstaat erlassen habe, um einem Urteil des Gerichtshofs nachzukommen, in allen Fällen ausschließlich der Gerichtshof zuständig sei und diese Beurteilung im Falle der Uneinigkeit zwischen der Kommission und dem Mitgliedstaat den Gegenstand eines neuen Verfahrens bilden müsse.

Die Kommission hat Rechtsmittel mit dem Ziel der Aufhebung dieses Urteils eingelegt5.

Mit seinem Urteil vom heutigen Tag weist der Gerichtshof das Rechtsmittel zurück.

Eingangs weist der Gerichtshof darauf hin, dass das Verfahren, mit dem ein säumiger Mitgliedstaat veranlasst werden soll, ein Vertragsverletzungsurteil durchzuführen6, als ein besonderes gerichtliches Verfahren der Durchführung von Urteilen des Gerichtshofs, mit anderen Worten als ein Vollstreckungsverfahren anzusehen ist. Daher sind die Prüfung der Maßnahmen, die dieser Mitgliedstaat zu dem Zweck erlassen hat, einem solchen Urteil nachzukommen, und die Erhebung der geschuldeten Beträge durch die Kommission unter Berücksichtigung der Abgrenzung der Vertragsverletzung vorzunehmen, wie sie der Gerichtshof vorgenommen hat.

Im vorliegenden Fall geht sowohl aus dem Tenor des Urteils von 2004 als auch aus demjenigen des Urteils von 2008 hervor, dass sich die vom Gerichtshof festgestellte Vertragsverletzung auf das Unterbleiben der Aufhebung einer nationalen Regelung bezieht. Die Kommission war jedoch der Auffassung, dass das Gesetz Nr. 67/2007 zur Aufhebung der in Rede stehenden nationalen Regelung keine angemessene Umsetzung des Urteils von 2004 darstelle. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Kommission dadurch Stellung zur Frage der Vereinbarkeit des neuen portugiesischen Gesetzes mit dem Unionsrecht bezogen hat, obwohl durch dieses Gesetz ein System der Haftung eingeführt wurde, das sich von dem mit der aufgehobenen Regelung eingeführten unterschied und das nicht zuvor vom Gerichtshof geprüft worden sein konnte. Die Ausübung der Beurteilungsbefugnis der Kommission im Rahmen der Durchführung eines Urteils des Gerichtshofs darf jedoch die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Entscheidung über die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit dem Unionsrecht nicht beeinträchtigen.

Ebenso wenig kann das Gericht, wie es im angefochtenen Urteil ausgeführt hat, zur Beurteilung der Eignung einer nicht zuvor vom Gerichtshof geprüften Praxis oder nationalen Regelung, die Durchführung eines solchen Vertragsverletzungsurteils zu gewährleisten, durch die Kommission Stellung nehmen. Dadurch würde das Gericht nämlich unweigerlich zur Vereinbarkeit einer solchen Praxis oder Regelung mit dem Unionsrecht Stellung nehmen und somit in die entsprechende ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs eingreifen.

Wenn daher Streit zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat über die Eignung einer nicht zuvor vom Gerichtshof geprüften Praxis oder nationalen Regelung zur Durchführung eines solchen Urteils besteht, darf die Kommission nicht durch den Erlass einer Entscheidung diesen Streit selbst entscheiden und daraus die notwendigen Konsequenzen für die Berechnung des Zwangsgelds ziehen.

Zwar kann das Gericht mit einer Nichtigkeitsklage gegen diese Entscheidung befasst werden, und das Urteil des Gerichts kann mit einem Rechtsmittel beim Gerichtshof angefochten werden. Doch würde die Prüfung durch das Gericht in einem solchen Verfahren die Möglichkeit des Gerichtshofs in unzulässiger Weise beschneiden, die Tatsachenfeststellungen in Zweifel zu ziehen, auf die das Gericht seine Prüfung gestützt hat, da es dem Gerichtshof nicht zusteht, diese im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens nachzuprüfen.

Ferner würde es zur Verletzung der den Mitgliedstaaten im Rahmen der Vertragsverletzungsverfahren zustehenden verfahrensrechtlichen Verteidigungsrechte führen, wenn der Kommission ein größerer Beurteilungsspielraum zuerkannt würde. Eine solche Auslegung würde nämlich das Vorverfahren beseitigen, das dem betreffenden Mitgliedstaat Gelegenheit gibt, seinen Verpflichtungen nachzukommen oder sich gegenüber den Rügen der Kommission wirksam zu verteidigen.

Nach alledem hat das Gericht im angefochtenen Urteil die Befugnisse der Kommission im Rahmen der Prüfung der Durchführung des Urteils von 2008 durch Portugal und dementsprechend seine eigenen Befugnisse zur Nachprüfung der entsprechenden Beurteilung der Kommission nicht in unzulässiger Weise beschnitten.

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HINWEIS: Beim Gerichtshof kann ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel gegen ein Urteil oder einen Beschluss des Gerichts eingelegt werden. Das Rechtsmittel hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Ist das Rechtsmittel zulässig und begründet, hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Ist die Rechtssache zur Entscheidung reif, kann der Gerichtshof den Rechtsstreit selbst entscheiden. Andernfalls verweist er die Rechtssache an das Gericht zurück, das an die Rechtsmittelentscheidung des Gerichtshofs gebunden ist.
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1Urteil des Gerichtshofs vom 14. Oktober 2004, Kommission/Portugal (C-275/03).
2Verpflichtung aus der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33).
3Urteil vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal, (C-70/06).
4Urteil des Gerichts vom 29. März 2011, Portugal/Kommission, (T-33/09), vgl. auch PM Nr. 27/11.
5Deutschland, Spanien, Frankreich, Griechenland, die Niederlande, Polen, die Tschechische Republik und Schweden sind dem Rechtsstreit als Streithelfer zur Unterstützung Portugals beigetreten.
6Art. 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, z. B. das durch das Urteil vom 10. Januar 2008 abgeschlossene Verfahren.
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