Pressemitteilung
C-17/13;
Verkündet am:
27.03.2014
EuGH Europäischer Gerichtshof
Rechtskräftig: unbekannt! Der auf Unionsreeder, deren Schiffe in einem Mitgliedstaat registriert sind, anwendbare Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs der Seekabotage gilt auch für Seekreuzfahrtdienste Zum Urteilstext (Englisch!) Zur englischen Version der Presserklärung Nach der Verordnung über die Seekabotage1 gilt seit dem 1. Januar 1993 der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im Seeverkehr in den Mitgliedstaaten für Unionsreeder, deren Schiffe in einem Mitgliedstaat registriert sind und unter der Flagge dieses Staates fahren, sofern diese Schiffe die vom nationalen Recht verlangten Voraussetzungen im Bereich der Kabotage erfüllen. Die Alpina River Cruises GmbH (eine Schweizer Gesellschaft) und die Nicko Tours GmbH (eine deutsche Gesellschaft) sind der Reeder bzw. die Nutzerin des Schweizer Touristenschiffs „Bellissima“. Diese Unternehmen wollten eine ca. einwöchige Kreuzfahrt von Venedig aus organisieren. Sie hatten geplant, die Lagune von Venedig bis Chioggia und dann das Küstenmeer zwischen Chioggia und Porto Levante zu durchqueren, bevor sie ca. 60 km den Fluss Po flussaufwärts fahren und auf umgekehrtem Weg nach Venedig zurückkehren wollten. Der Antrag auf Genehmigung der Durchquerung des Meeresabschnitts wurde von der Hafenbehörde Chioggia(Capitaneria di Porto di Chioggia) mit der Begründung abgelehnt, dass die Seekabotage nach italienischem Recht unter der Flagge eines Mitgliedstaats der Europäischen Union fahrenden Schiffen vorbehalten sei. Alpina und Nicko Tours klagten gegen diese Ablehnung vor dem Verwaltungsgericht der Region Venetien (Tribunale amministrativo regionale per il Veneto) und dann vor dem italienischen Staatsrat (Consiglio di Stato). Sie meinen, nach dem Unionsrecht gelte der Begriff „Seekabotage“ nur für Dienste, die eine echte Beförderung auf dem Seeweg beinhalteten. Die Kreuzfahrt sei keine solche Beförderung, denn (abgesehen von der kurzen Durchfahrt des Küstenmeeres zwischen Chioggia und Porto Levante) werde sie in Binnengewässern durchgeführt. Der Consiglio di Stato hat dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob eine Kreuzfahrt, die mit denselben Passagieren in demselben Hafen eines Mitgliedstaats beginnt und endet, in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. In seinem heutigen Urteil hebt der Gerichtshof hervor, dass die Verordnung nur Verkehrsdienstleistungen betrifft, die innerhalb eines Mitgliedstaats (Kabotage) zur See erfolgen. Folglich wird der Transport auf einer Wasserstraße in einem Mitgliedstaat nicht von dieser Verordnung geregelt, wenn er nicht auf dem Seeweg erfolgt2. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Frage ab, ob die in Rede stehende Kreuzfahrt eine Seekabotage darstellt. Nach Auffassung des Gerichtshofs zeigt sich entgegen dem Vorbringen von Alpina und Nicko Tours nicht, dass die betreffende Kreuzfahrt im Wesentlichen nicht auf See stattfindet. Neben dem Abschnitt zwischen Chioggia und Porto Levante sind – vorbehaltlich der Überprüfung durch das nationale Gericht – auch andere Teile der Route, wie die in der Lagune von Venedig und im Po-Delta befahrenen Schifffahrtszonen, Teil des innerhalb der Küstenlinie gelegenen italienischen Meeresgewässers. Hierzu hebt der Gerichtshof hervor, dass der Begriff „See“ im Sinne der Verordnung sich nicht auf das Küstenmeer im Sinne des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen3 beschränkt, sondern auch die Binnenseegewässer umfasst, die jenseits der Basislinie des Küstenmeeres liegen. Schließlich fällt – so der Gerichtshof – jeder gegen Entgelt in den Meeresgewässern eines Mitgliedstaats erbrachte Kreuzfahrtdienst unabhängig davon unter die Verordnung, dass die Kreuzfahrt mit denselben Passagieren in ein und demselben Hafen beginnt und endet. Daher unterliegt eine Seeverkehrsdienstleistung, die in Form einer Kreuzfahrt organisiert wird und mit denselben Passagieren in demselben Hafen eines Mitgliedstaats beginnt und endet, der Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage). -------------------- HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden. ---------------------- 1Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) (ABl. L 364, S. 7). 2Solche Dienste fallen hingegen in den Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 3921/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Binnenschiffsgüter- und -personenverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind (ABl. L 373, S. 1). 3Übereinkommen, das am 10. Dezember 1982 in Montego Bay (Jamaika) unterzeichnet wurde, am 16. November 1994 in Kraft trat und mit dem Beschluss 98/392/EG des Rates vom 23. März 1998 (ABl. L 179, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde. ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |