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Pressemitteilung
C-124/10 P;
Verkündet am: 
 05.06.2012
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Der Gerichtshof bestätigt die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission durch das Gericht, mit der die Kommission eine steuerliche Maßnahme Frankreichs zugunsten von EDF als staatliche Beihilfe qualifiziert hatte
Leitsatz des Gerichts:
Die Kommission hat einen Rechtsfehler begangen, indem sie wegen der steuerlichen Natur der Maßnahme die Prüfung abgelehnt hatte, ob der französische Staat sich wie ein privater Kapitalgeber verhalten hatte
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Électricité de France (EDF) erzeugt, befördert und verteilt Strom insbesondere im französischen Hoheitsgebiet. Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt war sie ein öffentliches Unternehmen, das zu 100 % im Eigentum des französischen Staates stand. Im Rahmen der Öffnung des Elektrizitätsbinnenmarkts1 änderte der französische Staat im Jahr 1997 seine Rechtsvorschriften, um den vermögensrechtlichen Status des Unternehmens zu klären, die Bilanz von EDF umzustrukturieren und deren Kapital aufzustocken.

Am 16. Dezember 2003 erließ die Kommission eine Entscheidung2, in der sie feststellte, dass der französische Staat im Rahmen dieser Bilanzumstrukturierung und Erhöhung des Kapitals von EDF auf eine Steuerforderung verzichtet habe, die auf 888,89 Millionen Euro veranschlagt wurde und der von EDF geschuldeten Körperschaftsteuer entsprach. Die Kommission war der Ansicht, dass dieser Verzicht die Wettbewerbsstellung von EDF gegenüber ihren Mitbewerbern gestärkt habe und eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstelle. Sie berechnete den von EDF insgesamt zurückzuzahlenden Betrag einschließlich der Zinsen auf 1,217 Milliarden Euro. EDF zahlte diesen Betrag an den französischen Staat zurück.

EDF, unterstützt durch Frankreich, erhob beim Gericht Klage auf teilweise Nichtigerklärung dieser Entscheidung. Mit Urteil vom 5. Dezember 2009 erklärte das Gericht die Entscheidung tatsächlich mit der Begründung für nichtig, dass die Kommission sich zu Unrecht wegen der steuerlichen Natur der getroffenen Maßnahme geweigert habe, zu prüfen, ob der französische Staat sich wie ein „marktwirtschaftlich handelnder privater Kapitalgeber“ verhalten hatte. Nach Ansicht des Gerichts dient das Kriterium des privaten Kapitalgebers der Feststellung, ob die staatliche Beteiligung oder Intervention zugunsten des Kapitals des begünstigten Unternehmens ein wirtschaftliches Ziel verfolge, das auch von einem privaten Kapitalgeber verfolgt werden könnte, und daher vom Staat als Wirtschaftsteilnehmer in gleicher Weise vorgenommen werde wie von einem privaten Wirtschaftsteilnehmer.

Die Kommission hat hiergegen Rechtsmittel zum Gerichtshof eingelegt, um die Aufhebung dieses Urteils zu erreichen. Nach ihrer Ansicht steht die steuerliche Natur der in Rede stehenden Maßnahme der Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Kapitalgebers entgegen, da eine solche Maßnahme einem privaten Kapitalgeber nicht zur Verfügung stehe. Zudem habe das Gericht, da es sich bei der Beihilfe um eine objektiven Begriff handele, zu Unrecht die vom französischen Staat verfolgten Ziele berücksichtigt.

Der Gerichtshof weist mit Urteil vom heutigen Tag das Rechtsmittel der Kommission zurück, da das Urteil des Gerichts keine Rechtsfehler aufweist.

Der Gerichtshof prüft die Frage, ob ein Mitgliedstaat, der Gläubiger einer Steuerforderung gegen ein öffentliches Unternehmen und zugleich dessen einziger Anteilseigner ist, sich auf die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalanlegers berufen kann, wenn er eine Erhöhung des Kapitals des Unternehmens durchführt, indem er auf diese Steuerforderung verzichtet, oder ob dieses Kriterium, wie die Kommission im vorliegenden Fall geltend macht, angesichts der steuerlichen Natur der Forderung und des Umstands, dass der Staat von seinen hoheitlichen Befugnissen durch den Verzicht auf diese Forderung Gebrauch macht, keine Anwendung finden kann.

Der Gerichtshof verweist darauf, dass das Recht der Union3 über staatliche Beihilfen nicht nach Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen unterscheidet, sondern diese nach ihren Wirkungen beschreibt. Nach diesem Recht soll nämlich verhindert werden, dass aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen, gleich in welcher Form, aufgrund ihrer Wirkungen den Wettbewerb verfälschen, indem sie das begünstigte öffentliche Unternehmen in eine günstigere finanzielle Lage versetzen als seine Mitbewerber.

Infolgedessen hat der Gerichtshof auch entschieden, dass die Voraussetzungen des Begriffs der Beihilfe nicht erfüllt sind, wenn das begünstigte öffentliche Unternehmen denselben Vorteil, der ihm aus Staatsmitteln gewährt wurde, unter Umständen, die normalen Marktbedingungen entsprechen, hätte erhalten können.

Zur Beurteilung der Frage, ob dieselbe Maßnahme unter normalen Marktbedingungen von einem privaten Kapitalgeber, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der Staat, getroffen worden wäre, sind, wie der Gerichtshof klargestellt hat, allein die Vorteile und Verpflichtungen zu berücksichtigen, die mit der Eigenschaft des Staates als Anteilseigner zusammenhängen, nicht aber jene, die an seine Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt knüpfen.

Daher stellt der Gerichtshof fest, dass die Rollen des Staates als Anteilseigner eines Unternehmens auf der einen Seite und als Träger öffentlicher Gewalt auf der anderen Seite zu unterscheiden sind und die Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Kapitalgebers letztlich davon abhängt, ob der betroffene Staat einem ihm gehörenden Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil in seiner Eigenschaft als Anteilseigner und nicht in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt gewährt.

Zudem weist der Gerichtshof darauf hin, dass die finanzielle Lage des begünstigten öffentlichen Unternehmens nicht von der Form der Gewährung dieses Vorteils, ganz gleich, welcher Art sie sein mag, abhängt, sondern vom Betrag, der ihm letztlich zufließt. Daher hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, als es festgestellt hat, dass das Kriterium des privaten Kapitalgebers sogar dann anwendbar sein kann, wenn Mittel steuerlicher Natur eingesetzt wurden.

Der Gerichtshof hat jedoch darauf hingewiesen, dass ein Mitgliedstaat, wenn er sich auf die Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Kapitalanlegers beruft, eindeutig und anhand objektiver und nachprüfbarer Nachweise belegen muss, dass er die durchgeführte Maßnahme in seiner Eigenschaft als Anteilseigner getroffen hat. Aus diesen Nachweisen muss klar hervorgehen, dass der betreffende Mitgliedstaat vor oder gleichzeitig mit der Gewährung des wirtschaftlichen Vorteils die Entscheidung getroffen hat, mit der tatsächlich durchgeführten Maßnahme Kapital in das von ihm kontrollierte öffentliche Unternehmen zu investieren.

Wenn der betroffene Mitgliedstaat der Kommission die erforderlichen Nachweise vorgelegt hat, hat diese eine Gesamtwürdigung vorzunehmen und dabei auch jeden anderen Anhaltspunkt zu berücksichtigen, der es ihr ermöglicht, festzustellen, ob der Mitgliedstaat die in Rede stehende Maßnahme in seiner Eigenschaft als Anteilseigner oder in der als Träger öffentlicher Gewalt getroffen hat. Das Gericht hat daher zu Recht entschieden, dass das vom französischen Staat verfolgte Ziel berücksichtigt werden konnte, um festzustellen, ob dieser Staat als Anteilseigner gehandelt hat.

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HINWEIS: Beim Gerichtshof kann ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel gegen ein Urteil oder einen Beschluss des Gerichts eingelegt werden. Das Rechtsmittel hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Ist das Rechtsmittel zulässig und begründet, hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Ist die Rechtssache zur Entscheidung reif, kann der Gerichtshof den Rechtsstreit selbst entscheiden. Andernfalls verweist er die Rechtssache an das Gericht zurück, das an die Rechtsmittelentscheidung des Gerichtshofs gebunden ist.
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1Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 1997, L 27, S. 20).
2Entscheidung C(2003) 4637 endg. der Kommission vom 16. Dezember 2003 über die staatlichen Beihilfen, die Frankreich im Jahr 1997 der EDF und dem Sektor der Strom- und Gaswirtschaft in Form von nicht entrichteter Körperschaftsteuer für einen Teil der Rückstellungen gewährte, die für die Erneuerung des allgemeinen Versorgungsnetzes (Réseau d'alimentation générale, RAG) gebildet wurden (staatliche Beihilfen Nrn. C 68/2002, N 504/2003 und C 25/2003 – Frankreich).
3Art. 87 EG.
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