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Pressemitteilung
C-472/10;
Verkündet am: 
 26.04.2012
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-472/10
Leitsatz des Gerichts:
Eine solche Regelung stellt ein angemessenes und wirksames Mittel dar, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende gesetzt wird
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen1 sieht vor, dass solche Klauseln in mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Verträgen unverbindlich sind.

In Ungarn kann das Nemzeti Fogyasztóvédelmi hatóság (Nationales Verbraucherschutzbüro) die Nichtigerklärung einer missbräuchlichen Klausel in einem Verbrauchervertrag bei Gericht beantragen, wenn die Verwendung einer solchen Klausel durch einen Gewerbetreibenden eine Vielzahl von Verbrauchern betrifft oder einen bedeutenden Schaden verursacht. Nach ungarischem Recht gilt die Feststellung der Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel durch ein Gericht aufgrund einer Klage im öffentlichen Interesse (popularis actio) für jeden Verbraucher, der mit einem Gewerbetreibenden einen Vertrag geschlossen hat, der diese Klausel enthält.

Bei dieser ungarischen Behörde gingen zahlreiche Beschwerden von Verbrauchern gegen das Unternehmen Invitel, ein Festnetz-Telekommunikationsunternehmen, ein, denn es hatte einseitig eine Klausel in seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Anschlussverträge aufgenommen, die es berechtigte, den Kunden nachträglich „Anweisungskosten“, d. h. Kosten für die Zahlung per Postanweisung, in Rechnung zu stellen. Darüber hinaus war in diesen Verträgen nicht festgelegt, wie diese Anweisungskosten zu berechnen waren.

Da die Behörde der Ansicht war, dass die in Rede stehende Klausel eine missbräuchliche Vertragsklausel darstelle, erhob sie bei den ungarischen Gerichten Klage auf Nichtigerklärung und auf Rückzahlung der ungerechtfertigt als „Anweisungskosten“ vereinnahmten Beträge an die Kunden von Invitel.

Das Pest Megyei Bíróság (Bezirksgericht Pest, Ungarn), bei dem der Rechtsstreit anhängig ist, fragt den Gerichtshof, ob die ungarische Bestimmung, nach der die Rechtswirkungen der aufgrund einer Klage im öffentlichen Interesse erfolgten Nichtigerklärung einer missbräuchlichen Klausel allen betroffenen Verbrauchern zugute kommen, mit der Richtlinie im Einklang steht.

In seinem Urteil vom heutigen Tag erinnert der Gerichtshof zunächst daran, dass die Richtlinie die Mitgliedstaaten verpflichtet, es Personen oder Organisationen, die ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, zu ermöglichen, die Gerichte mit einer Unterlassungsklage anzurufen, um klären zu lassen, ob Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefasst wurden, missbräuchlich sind, und gegebenenfalls deren Verbot zu erreichen. In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof allerdings klar, dass die Richtlinie nicht auf die Harmonisierung der Sanktionen gerichtet ist, die gelten sollen, wenn im Rahmen der von diesen Personen oder Organisationen erhobenen Klagen die Missbräuchlichkeit einer Klausel anerkannt wird.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass die wirksame Umsetzung des Abschreckungszwecks der Klagen im öffentlichen Interesse erfordert, dass die im Rahmen einer solchen Klage gegen den betreffenden Gewerbetreibenden für missbräuchlich erklärten Klauseln weder für die Verbraucher, die gegebenenfalls am Verfahren beteiligt sind, noch für diejenigen Verbraucher verbindlich sind, die nicht Verfahrensbeteiligte sind, jedoch mit diesem Gewerbetreibenden einen Vertrag geschlossen haben, auf den die gleichen Allgemeinen Bedingungen anwendbar sind. In diesem Kontext weist der Gerichtshof darauf hin, dass Klagen im öffentlichen Interesse, die auf die Beseitigung der missbräuchlichen Klauseln gerichtet sind, auch vor deren Verwendung in Verträgen erhoben werden können.

Unter diesen Umständen stellt der Gerichtshof fest, dass die streitige ungarische Regelung genau der Zielrichtung der Richtlinie entspricht, wonach die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen haben, dass angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit die Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende findet. Infolgedessen ist diese Regelung mit der Richtlinie vereinbar.

Der Gerichtshof fügt hinzu, dass die nationalen Gerichte auch in der Zukunft von Amts wegen alle im nationalen Recht vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen haben, damit diese Klausel für die Verbraucher unverbindlich ist, die einen Vertrag geschlossen haben, auf den die gleichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen anwendbar sind.

Zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit der beanstandeten Klausel von Invitel führt der Gerichtshof aus, dass dafür das nationale Gericht zuständig ist. Im Rahmen dieser Beurteilung wird das ungarische Gericht insbesondere zu prüfen haben, ob im Licht sämtlicher Klauseln des Vertrags und der anwendbaren nationalen Regelung Gründe oder Modus der Änderung der mit der zu erbringenden Dienstleistung verbundenen Kosten klar und verständlich angegeben sind und ob die Verbraucher gegebenenfalls über ein Recht zur Beendigung des Vertrags verfügen.

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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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1Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29)./small>
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