Mo, 21. April 2025, 15:50    |  Login:  User Passwort    Anmelden    Passwort vergessen
Arbeitsplattform NEWS URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE VIDEOS SITEINFO/IMPRESSUM NEWSLETTER
Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Pressemitteilung
T-336/07, T-398/07;
Verkündet am: 
 29.03.2012
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Das Gericht bestätigt die von der Kommission gegen Telefónica wegen Missbrauchs ihrer beherrschenden Stellung auf dem Markt für den Breitband-Internetzugang in Spanien verhängte Geldbuße von mehr als 151 Mio. Euro
Leitsatz des Gerichts:
Insbesondere hat Telefónica ihre beherrschende Stellung auf dem regionalen und dem nationalen Markt für den Großkunden-Zugang in Spanien missbraucht
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Das Unionsrecht verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch die Unternehmen, soweit dies zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten führen kann.

Vor der vollständigen Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte im Jahr 1998 besaß Telefónica ein gesetzliches Monopol bei der Bereitstellung von Festnetz-Telekommunikationsdienstleistungen an Endkunden. Bei der Liberalisierung verfügte Telefónica daher als einziger Telekommunikationsbetreiber in Spanien über ein Telefonfestnetz im gesamten Land.

Von September 2001 bis Dezember 2006 erbrachte Telefónica – unter Verwendung der ADSL-Technologie, die den Breitbandinternetzugang mit Hilfe einer telefonischen Festnetzverbindung ermöglicht – Dienstleistungen in der gesamten Breitbandwertschöpfungskette.

In diesem Zeitraum vertrieb Telefónica Breitbandprodukte auf dem Privatkundenmarkt. Mit Hilfe ihres Telefonfestnetzes stellte sie auch Großkunden-Breitbandprodukte für die anderen Betreiber von Telekommunikationsdienstleistungen bereit, um diesen zu ermöglichen, selbst Endkunden-Breitbanddienstleistungen zu erbringen. In Bezug auf diese Großkundenprodukte standen den anderen Telekommunikationsbetreibern drei Angebote zur Verfügung: erstens der entbündelte Teilnehmeranschluss1, der allein von Telefónica vertrieben wurde, zweitens der regionale Großkundenzugang (GigADSL)2, der ebenfalls allein von Telefónica vertrieben wurde, und drittens mehrere nationale Großkunden-Zugangsangebote3, die sowohl von Telefónica (ADSL-IP und ADSL-IP Total) als auch von anderen Betreibern auf der Grundlage des entbündelten Teilnehmeranschlusses und/oder des regionalen Großkunden-Zugangsprodukts vertrieben wurden.

Auf eine Beschwerde hin entschied die Kommission am 4. Juli 20074, dass Telefónica in der Zeit von September 2001 bis Dezember 2006 ihre beherrschende Stellung auf dem regionalen und nationalen Markt für den Großkunden-Zugang in Spanien missbraucht habe. Telefónica habe von ihren Wettbewerbern unfaire Preise im Sinne einer Kosten-Preis-Schere zwischen den Preisen für den Endkunden-Breitbandzugang und den Preisen für den Großkunden-Breitbandzugang auf regionaler und nationaler Ebene verlangt. Daher wurde gegen Telefónica eine Geldbuße von 151 875 000 Euro verhängt.

Spanien und Telefónica haben beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission erhoben.

Mit seinen heutigen Urteilen weist das Gericht die Klagen ab, da die Kommission zutreffend festgestellt hat, dass Telefónica ihre beherrschende Stellung missbraucht habe.

Erstens bestätigt das Gericht, dass die entbündelten Teilnehmeranschlüsse, das regionale Großkundenprodukt und das nationale Großkundenprodukt im fraglichen Zeitraum nicht zu demselben Markt gehörten, so dass das etwaige Vorliegen einer beherrschenden Stellung von Telefónica auf jedem dieser Märkte getrennt zu prüfen war. Folglich weist das Gericht das Vorbringen von Telefónica zurück, die Kommission hätte das Vorliegen einer Kosten-Preis-Schere nicht für jedes Großkundenprodukt getrennt prüfen dürfen, da die alternativen Betreiber eine optimale Kombination von Großkunden-Breitbandprodukten unter Einbeziehung der entbündelten Teilnehmeranschlüsse verwendeten, die Kostensenkungen ermögliche. Ein solcher Ansatz liefe nach Ansicht des Gerichts auf die Annahme hinaus, dass ein alternativer Betreiber Verluste, die er aufgrund der Kosten-Preis-Schere erlitten hat, durch Einkünfte aus der Verwendung der entbündelten Teilnehmeranschlüsse in bestimmten rentableren geografischen Gebieten ausgleichen könnte, wobei diese Produkte nicht von einer Kosten-Preis-Schere betroffen wären.

Das Gericht weist hierzu darauf hin, dass der Begriff des Marktes die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs zwischen den zu ihm gehörenden Erzeugnissen voraussetzt, so dass – kurzfristig – ein hinreichender Grad an Austauschbarkeit zwischen allen zu demselben Markt gehörenden Erzeugnissen im Hinblick auf die gleiche Verwendung erforderlich ist. Zum einen bestehen jedoch funktionelle Unterschiede zwischen den nationalen Großkundenprodukten, den regionalen Großkundenprodukten und den entbündelten Teilnehmeranschlüssen. Zum anderen hat die tatsächliche Verwendung des Teilnehmeranschlusses in begrenztem Umfang erst Ende 2004/Anfang 2005 begonnen.

Zweitens befindet das Gericht, dass die Kommission zutreffend festgestellt hat, dass Telefónica während des Zeitraums der Zuwiderhandlung eine beherrschende Stellung auf dem regionalen Großkundenmarkt und auf dem nationalen Großkundenmarkt eingenommen habe. Hierbei ist nicht in Frage gestellt worden, dass Telefónica in Spanien seit 1999 der einzige Anbieter des regionalen Großkundenprodukts war und damit ein De-facto-Monopol auf diesem Markt besaß. Es ist auch nicht in Frage gestellt worden, dass der Anteil von Telefónica am nationalen Großkundenmarkt während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung bei mehr als 84 % lag.

Drittens weist das Gericht in Bezug auf das missbräuchliche Verhalten von Telefónica darauf hin, dass eine Margenbeschneidung auf einem relevanten Markt bereits als solche einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann. Die Margenbeschneidung resultiert dabei aus der Differenz zwischen den Vorleistungs- und den Endleistungspreisen. Daher musste die Kommission nicht nachweisen, dass Telefónica zu hohe Preise für ihre Produkte für den indirekten Großkunden-Zugang oder Dumpingpreise für ihre Endkundenprodukte verlangte.

In Bezug auf die Beurteilung der Zulässigkeit der von Telefónica angewandten Preispolitik bestätigt das Gericht zudem den von der Kommission verfolgten Ansatz, auf Preiskriterien abzustellen, die sich auf die Telefónica selbst entstandenen Kosten und ihre Strategie stützen. Bei einer Preispolitik, die auf eine Margenbeschneidung hinausläuft, kann nämlich anhand dieser Prüfungskriterien festgestellt werden, ob ein marktbeherrschendes Unternehmen effizient genug gewesen wäre, um seine Endkundendienste anzubieten, ohne dabei Verluste hinnehmen zu müssen, wenn es zuvor seine eigenen Preise für die Vorleistungen hätte zahlen müssen.

Viertens ist die Kommission nach Ansicht des Gerichts in Bezug auf die Auswirkungen des Verhaltens von Telefónica ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler zu dem Schluss gekommen, Viertens ist die Kommission nach Ansicht des Gerichts in Bezug auf die Auswirkungen des Verhaltens von Telefónica ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler zu dem Schluss gekommen Fünftens weist das Gericht das Vorbringen von Telefónica zur Festsetzung der Geldbuße zurück, mit dem dargetan werden soll, dass sie die Wettbewerbswidrigkeit ihres Verhaltens vernünftigerweise nicht habe vorhersehen können.

Fünftens weist das Gericht das Vorbringen von Telefónica zur Festsetzung der Geldbuße zurück, mit dem dargetan werden soll, dass sie die Wettbewerbswidrigkeit ihres Verhaltens vernünftigerweise nicht habe vorhersehen können.

Zunächst bestätigt das Gericht, dass Telefónica über einen hinreichenden Spielraum zur Bestimmung ihrer Preispolitik verfügte. Zum einen stand es Telefónica frei, den Preis des nationalen Großkundenprodukts herabzusetzen, da dieser nicht reguliert war. Zum anderen waren die von der spanischen Kommission für den Telekommunikationsmarkt (CMT) festgelegten Preise für das regionale Großkundenprodukt Höchstpreise, so dass es Telefónica unbenommen war, eine Herabsetzung ihrer Preise zu beantragen. In Bezug auf die Endkundenpreise hat Telefónica schließlich nicht in Abrede gestellt, dass es ihr freistand, ihre Preise jederzeit zu erhöhen.

Ferner befindet das Gericht, dass Telefónica nicht im Unklaren darüber sein konnte, dass die Beachtung der spanischen Regelung im Telekommunikationsbereich – insbesondere die Beachtung der von der CMT auf der Grundlage des Rechtsrahmens getroffenen Entscheidungen – sie nicht vor einem Eingreifen der Kommission auf der Grundlage des Wettbewerbsrechts schützte. Insofern ergänzen die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften der Union im Wege der Ausübung einer nachträglichen Kontrolle den vom Unionsgesetzgeber zur Vorabregulierung der Telekommunikationsmärkte erlassenen Rechtsrahmen.

Schließlich hatte die CMT ein System der Preisfestsetzung für das regionale Großkundenprodukt von Telefónica errichtet und in mehreren Entscheidungen während des Zeitraums der Zuwiderhandlung auf der Grundlage von Ex-ante-Schätzungen das Vorliegen einer Kosten-Preis-Schere geprüft. Nach Auffassung des Gerichts haben diese Gesichtspunkte jedoch keine Auswirkungen auf die Verantwortlichkeit von Telefónica nach dem Wettbewerbsrecht. Telefónica konnte nämlich nicht im Unklaren darüber sein, dass die CMT das fragliche Preissystem weder festgelegt noch auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten des Unternehmens geprüft hatte, ob eine Scherenwirkung eingetreten ist, sondern auf der Grundlage von Schätzungen, die durch die tatsächlichen Entwicklungen des Marktes nicht bestätigt worden sind.

-------------------------
HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.

HINWEIS: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.
-----------------------
1Diese Möglichkeit gewährt einen unmittelbaren Zugang zum Teilnehmeranschluss – der Leitung zwischen dem Standort des Kunden und der Ortsvermittlung – oder zu einer entsprechenden Einrichtung des Telekommunikationsbetreibers. Dieser Zugang ermöglicht es dem alternativen Betreiber, eine größere Vielfalt an Endkundendiensten herzustellen.
2Der nationale Großkundenzugang verlangt den Aufbau eines Netzes von bis zu 109 regionalen Zugangspunkten. Er ermöglicht es den alternativen Betreibern, einen „gewissen Grad an Differenzierung“ ihres Endkundenprodukts herzustellen (wobei die entbündelten Teilnehmeranschlüsse jedoch eine größere Differenzierung ermöglichen).
3Der nationale Großkundenzugang führt den Verkehr in einem einzigen Zugangspunkt zusammen. Dieser Zugang ermöglicht den alternativen Betreibern keine signifikante Differenzierung ihres Endkundenprodukts.
4Entscheidung C (2007) 3196 final der Kommission vom 4. Juli 2007 in einem Verfahren nach Art. 82 [EG] (Sache COMP/38.784 – Wanadoo España gegen Telefónica).
-----------------------------------------------------
Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).