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Text des Beschlusses
1 Ws 474/11;
Verkündet am: 
 08.12.2011
OLG Oberlandesgericht
 

Jena
Vorinstanzen:
665 Js 51109/10 7 Ns
Landgericht
Mühlhausen;
Rechtskräftig: unbekannt!
Gegen einen Beschluss, mit dem die Wirtschaftsstrafkammer im Berufungsverfahren eine Strafsache an eine allgemeine Strafkammer verweist, ist in entsprechender Anwendung des § 210 Abs. 2 StPO die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft statthaft
Leitsatz des Gerichts:
GVG §§ 74c, 74e, 145 Abs. 1; StPO §§ 209, 209a, 210 Abs. 2, 225a, 296 Abs. 1, 321 Abs. 1, Thür. VO ...

1. Gegen einen Beschluss, mit dem die Wirtschaftsstrafkammer im Berufungsverfahren eine Strafsache an eine allgemeine Strafkammer verweist, ist in entsprechender Anwendung des § 210 Abs. 2 StPO die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft statthaft.

2. Zuständig für die Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung im Zwischen- oder Hauptverfahren ist grundsätzlich die Staatsanwaltschaft bei demjenigen Gericht, das die anzufechtende Entscheidung erlassen hat, sofern nicht eine Beauftragung nach § 145 Abs. 1 GVG vorliegt.

3. Die (kleine) Wirtschaftsstrafkammer ist nicht für das Rechtsmittel der Berufung gegen Urteile der Strafrichter bei den Amtsgerichten anderer Landgerichtsbezirke in Wirtschaftsstrafsachen zuständig (obiter dictum).

4. Die in § 12 Abs. 2 der Dritten Verordnung des Thüringer Ministers für Justiz und Europaangelegenheiten zur Änderung der Thüringer Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit vom 27.7.1995 enthaltene Zuständigkeitskonzentration beim Landgericht Mühlhausen ist im Hinblick auf Berufungen gegen strafrichterliche Urteile nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 74c Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG in Verbindung mit § 1 Nr. 19 der Thüringer Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen im Bereich der Rechtspflege vom 25.10.2004 gedeckt (obiter dictum).
gegen
1. A W,

Verteidiger: Rechtsanwalt Dr. S,

2. L F,
geboren am in E,
wohnhaft: E,
verheiratet, deutscher Staatsangehöriger

Verteidiger:
Rechtsanwalt K
Rechtsanwalt Dr. W

wegen
Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz u. a.


hier: Zuständigkeit der (kleinen) Wirtschaftsstrafkammer bei dem Landgericht Mühlhausen im Verfahren über die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts – Strafrichter – Erfurt vom 5.3.2010

hat auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Erfurt gegen den Beschluss der 7. Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – des Landgerichts Mühlhausen vom 21.9.2011 der des Thüringer Oberlandesgerichts durch , Richter am Oberlandesgericht Schulze und am 8. Dezember 2011 beschlossen:

1. Die sofortige Beschwerde wird verworfen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.



Gründe


I.

Das Amtsgericht – Strafrichter – Erfurt sprach die Angeklagten mit Urteil vom 5.3.2010 schuldig, in jeweils elf rechtlich selbstständigen Fällen fahrlässig ohne Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG Bankgeschäfte betrieben zu haben.

Den Angeklagten W sprach es außerdem wegen Verletzung der Buchführungspflicht nach § 283b Abs. 1 Ziffer 3b StGB schuldig. Es verurteilte die Angeklagten deshalb jeweils zu einer Gesamtgeldstrafe.

Gegen dieses Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft Erfurt als auch die Angeklagten Berufung ein.

Die Staatsanwaltschaft Erfurt legte die Akten dem Landgericht Mühlhausen über die dortige Staatsanwaltschaft zur Entscheidung über die Berufung vor.

Die nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Mühlhausen zuständige Kammer hat sich auf Rüge der Zuständigkeit durch die Angeklagten mit der angefochtenen Entscheidung für unzuständig erklärt und das Verfahren an die allgemeine Berufungskammer bei dem Landgericht Erfurt abgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Zuweisung von Berufungen gegen Urteile der Strafrichter von Amtsgerichten eines anderen Landgerichtsbezirks an die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Mühlhausen durch § 12 der Dritten Verordnung des Justizministers zur Änderung der Thüringer Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in der ordentlichen Gerichtsbarkeit vom 25.7.1995 sei von der Ermächtigungsnorm des § 74c Abs. 3 GVG nicht gedeckt, weil diese für die Möglichkeit der Konzentration von Wirtschaftsstrafsachen bei einem Landgericht die landgerichtliche Zuständigkeit voraussetze, nicht aber zu begründen legitimiere.

Gegen diesen in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluss legte die Staatsanwaltschaft Erfurt am 26.9.2011 mit der Begründung sofortige Beschwerde ein, das Landgericht übersehe die unterschiedlichen Normadressaten von § 74c Abs. 1 GVG einerseits und § 74c Abs. 3 GVG anderseits.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft trat der Beschwerde der Staatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 17.10.2011 bei und beantragte,

den angefochtenen Beschluss vom 21.9.2011 aufzuheben.


II.

1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft.

Gegen einen Beschluss, mit dem die Wirtschaftsstrafkammer im Berufungsverfahren eine Strafsache an eine allgemeine Strafkammer verweist, wird analog § 210 Abs. 2 StPO die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft für statthaft erachtet (OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.11.1981, 1 Ws 339/81, juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 24.2.2004, 2 Ws 436 und 453/03, juris; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 74c GVG Rdz. 6; ders. NStZ 1981, 168, 172).

Dem schließt sich der Senat an.

Das Gesetz enthält in §§ 209, 209a, 225a Abs. 4 StPO, 74c und 74e GVG eingehende Bestimmungen darüber, wie vor Beginn der Hauptverhandlung in erster Instanz zu verfahren ist, wenn das angegangene Gericht höherer Ordnung beziehungsweise die Wirtschaftsstrafkammer sich nicht für zuständig hält und die Strafsache an ein Gericht niederer Ordnung beziehungsweise die allgemeine Strafkammer verweist. Ein solcher Verweisungsbeschluss ist dann nach § 210 Abs. 2 StPO anfechtbar. Für den entsprechenden Fall der Unzuständigkeitserklärung und Verweisung im Berufungsverfahren gibt es keine gesetzliche Regelung, obwohl sich dieser von dem gesetzlich geregelten Fall nicht maßgeblich unterscheidet. Dementsprechend sind die §§ 209, 209a und 225a StPO im Berufungsverfahren für das Verhältnis zwischen Wirtschaftsstrafkammer und allgemeiner Strafkammer analog anzuwenden (OLG Düsseldorf Wistra 1995, 362; OLG Stuttgart a. a. O.; Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl., § 74c Rdz. 10; Meyer-Goßner, a. a. O.; Siolek in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 74c GVG Rdz. 10). Dies bedingt dann auch in der Berufungsinstanz die Anwendung des § 210 Abs. 1 StPO.

2. Das Rechtsmittel ist unzulässig.

Zwar wurde es formgerecht (§ 306 Abs. 1 StPO) und innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt. Der Staatsanwaltschaft Erfurt fehlte es aber an der erforderlichen Anfechtungsberechtigung nach § 296 Abs. 1 StPO. Diese lag vielmehr bei der Staatsanwaltschaft Mühlhausen.

Zuständig für die Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung ist grundsätzlich die Staatsanwaltschaft bei demjenigen Gericht, das die anzufechtende Entscheidung erlassen hat, sofern nicht eine Beauftragung nach § 145 Abs. 1 GVG vorliegt, was im hiesigen Verfahren nicht der Fall ist (BGH NStZ 1998, 309 und NStZ 1995, 204; Paul in: KK-StPO, 6. Aufl., § 296 Rdz. 4; Plöd in: KMR, StPO, 51. Ergänzungslieferung, § 296 Rdz. 2). Dies gilt jedenfalls für solche Entscheidungen, die im Zwischen- oder Hauptverfahren ergehen. Für Entscheidungen im Vorverfahren ist demgegenüber die Beschwerdebefugnis auch einer bezirksfremden Staatsanwaltschaft anerkannt (Frisch in: SK-StPO, 3. Aufbaulieferung, § 296 Rdz. 10; Hanack in: Löwe-Rosenberg, a. a. O., 25. Aufl., § 296 Rdz. 8; Loh MDR 1970, 812 ff.; Meyer-Goßner, a. a. O., § 296 Rdz. 2; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 296 Rdz. 2).

Das Berufungsverfahren ist Teil des Hauptverfahrens. Es besteht selbst für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft bei dem Vordergericht nicht mit derjenigen bei dem Rechtsmittelgericht identisch ist, keine Veranlassung, in Analogie zur Handhabung im Vorverfahren eine Rechtsmittelbefugnis der Staatsanwaltschaft bei dem Vordergericht anzuerkennen. Zwar hat diese die Sache durch das vorinstanzliche Verfahren geführt. Das weitere Verfahren liegt aber nach Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsmittelgericht nach § 321 Satz 1 StPO bei dieser. Sie hat zu prüfen, ob die Berufung zulässig ist. Außerdem hat sie die für die Entscheidung über die Berufung zuständige allgemeine oder besondere Strafkammer zu bezeichnen und die für den weiteren Fortgang des Verfahrens erforderlichen Anträge bei dem Berufungsgericht zu stellen (Frisch, a. a. O., 21. Aufbaulieferung, § 321 Rdz. 3). Vor diesem Hintergrund ist dann auch die Rechtsmittelbefugnis dieser Staatsanwaltschaft sachgerecht.

Das Fehlen der Anfechtungsberechtigung berührt zwar – worauf die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 14.11.2011 zu Recht hinweist – die Wirksamkeit der Rechtsmitteleinlegung als Prozesshandlung nicht, bedingt aber die Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde.

3. Legt die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel weder zu Gunsten noch zu Ungunsten des Angeklagten, sondern allein in Wahrnehmung ihrer Aufgabe ein, Gerichtsentscheidungen ohne Rücksicht auf ihre Wirkungen für den Verurteilten mit dem Gesetz in Einklang zu bringen, so trägt grundsätzlich die Staatskasse die Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten (Meyer-Goßner, a. a. O., § 463 Rdz. 17 m. w. N.).

4. Mangels Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde kann der Senat nicht in der Sache entscheiden.

Er beschränkt sich deshalb auf die folgenden Hinweise für künftige Fälle.

Die vom Landgericht Mühlhausen vertretene Auffassung, es sei als (kleine) Wirtschaftsstrafkammer nicht für das Rechtsmittel der Berufung gegen Urteile der Strafrichter bei den Amtsgerichten anderer Landgerichtsbezirke zuständig, dürfte zutreffen.

Die in § 12 Abs. 2 der Dritten Verordnung des Thüringer Ministers für Justiz und Europaangelegenheiten zur Änderung der Thüringer Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit vom 27.7.1995 enthaltene Zuständigkeitskonzentration beim Landgericht Mühlhausen ist im Hinblick auf Berufungen gegen strafrichterliche Urteile nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 74c Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG in Verbindung mit § 1 Nr. 19 der Thüringer Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen im Bereich der Rechtspflege vom 25.10.2004 gedeckt. Dies ergibt die Auslegung des § 74c Abs. 3 Satz 1 GVG.

Der Wortlaut der Norm ist insoweit zwar offen und deshalb grundsätzlich für die Annahme geeignet, sie decke auch eine Zuständigkeitskonzentration für Berufungen gegen strafrichterliche Urteile.

Hierfür sprechen auch teleologische Erwägungen. Die Konzentrationsermächtigung will es den Landesregierungen ermöglichen, den besonderen Anforderungen der rechtlichen Beurteilung sogenannter Wirtschaftsstrafsachen durch die Bildung von Spezialstrafkammern besser gerecht zu werden (vgl. zu diesem Normzweck den schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 29.5.1971, BT Drucks. VI/2257, S. 1). Solche Spezialstrafkammern können mit richterlichen Fachkräften besetzt werden, die über besondere Kenntnisse und Erfahrungen im Wirtschaftsleben und damit für die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität verfügen. Deren Kenntnisse und Erfahrungen können durch die mit der Konzentration verbundene Erweiterung des örtlichen Zuständigkeitsbereichs und die damit verbundene Erhöhung der Zahl der zu behandelnden Wirtschaftsstrafsachen weiter ausgebaut werden. Dieser Normzweck greift auch bei Berufungen gegen strafrichterliche Urteile. Ihr steht insoweit auch nicht entgegen, dass eine vergleichbare Konzentration im ersten Rechtszug vor dem Strafrichter nicht erfolgt. Die Ermächtigung in § 74c Abs. 3 Satz 1 GVG erstreckt sich nämlich unstreitig auch auf Berufungen gegen schöffengerichtliche Urteile, für die eine vergleichbare Konzentration in erster Instanz ebenfalls nicht zugelassen ist.

Die systematische und die historische Auslegung sprechen aber für die vom Landgericht Mühlhausen in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung.

Systematisch steht § 74c Abs. 3 Satz 1 GVG im Zusammenhang mit § 74c Abs. 1 Satz 1 GVG. Dort ist die Zuständigkeit der Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer für Strafsachen in zweiter Instanz lediglich insoweit angeordnet, als es sich um das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Schöffengerichts, nicht aber solche des Strafrichters handelt. Anknüpfend daran ermächtigt dann § 74c Abs. 3 Satz 1 GVG die Landesregierungen, zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren im Wege der Rechtsverordnung einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte ganz oder teilweise solche Strafverfahren zuzuweisen, welche die in § 74c Abs. 1 GVG bezeichneten sogenannten Wirtschaftsstrafsachen zum Gegenstand haben.

Entscheidend gegen die Annahme, § 74c Abs. 3 Satz 1 GVG ermächtige die Landesregierungen dazu, auch Berufungen gegen strafrichterliche Urteile bei einem Landgericht zu konzentrieren, spricht der Wille des historischen Gesetzgebers.

Entstehungsgeschichtlich enthielt der durch Gesetz vom 8.9.1971 (BGBl. 1971 I S. 1513) eingefügte § 74c GVG in seinem Absatz 1 allein die Ermächtigung der Landesregierungen, die katalogmäßig aufgezählten Straftaten einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zuzuweisen. Dabei sah der zu Grunde liegende Gesetzentwurf des Bundesrates eine solche Konzentrationsermächtigung nur für die erstinstanzlichen landgerichtlichen Verfahren vor (BT Drucks. Vl/670, Anlage 1). In ihrer Stellungnahme regte die Bundesregierung dann an, diese Beschränkung im weiteren Gesetzgebungsgang zu überdenken (BT Drucks. VI/670, Anlage 2). Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages griff die Anregung auf und schlug seinerseits vor, die Konzentrationsermächtigung nicht auf erstinstanzliche Verfahren vor dem Landgericht zu beschränken, sondern auf alle Verfahren vor der großen Strafkammer zu erstrecken (BT Drucks. VI/2257, Seite 1 f., 5). Diese Erweiterung sollte nach dem Willen des Rechtsausschusses allerdings nur Berufungen gegen Urteile des Schöffengerichts betreffen, die nach der damals maßgeblichen Fassung von § 76 GVG noch vor der großen Strafkammer verhandelt wurden. Berufungen gegen strafrichterliche Urteile sollten demgegenüber von der Konzentrationsermächtigung nicht erfasst werden. Dem lag die Überzeugung des Rechtsausschusses zu Grunde, Wirtschaftsstrafsachen würden regelmäßig nicht vor dem Einzelrichter, sondern allein vor dem Schöffengericht angeklagt beziehungsweise eröffnet. Wörtlich heißt es im schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses vom 29.5.1971: „Der Gesetzentwurf des Bundesrates sieht eine Konzentrationsermächtigung nur für die erstinstanzlichen landgerichtlichen Verfahren vor. Einem Vorschlag der Bundesregierung folgend ist der Rechtsausschuss der Auffassung, dass die Konzentrationsermächtigung auf alle landgerichtlichen Verfahren vor der Großen Strafkammer zu erstrecken ist, also auch auf die Berufungsverfahren und die zurückverwiesenen Strafsachen. Die Verfahren vor der Kleinen Strafkammer fallen nicht unter die Konzentrationsermächtigung, weil die Wirtschaftsstrafsachen, wie sie in dem vorgeschlagenen Katalog aufgeführt sind, in aller Regel nicht vor dem Einzelrichter und damit als Berufungssache vor die Kleine Strafkammer gelangen können ...“ (DT Drucks. VI/2257, S.1). Diese Vorstellung des historischen Gesetzgebers vom Geltungsbereich der Konzentrationsermächtigung für solche Verfahren, in denen das Landgericht entweder erstinstanzlich tätig ist oder über Berufungen gegen Urteile des Schöffengerichts entscheidet, wurde auch im Zuge späterer Gesetzesänderungen nicht korrigiert. Das gilt insbesondere für Art. 2 Nr. 7 Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 (BGBl. 1978 I S. 1645). Dadurch wurde die ursprüngliche Konzentrationsermächtigung in eine echte Spezialzuständigkeit umgewandelt (§ 74c Abs. 1 GVG in der seither geltenden Fassung). Die Konzentrationsermächtigung wurde freilich zusätzlich beibehalten (§ 74c Abs. 3 GVG in der seither geltenden Fassung). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber gelegentlich dieser Gesetzesänderung den nach der Schaffung der Zuständigkeitsnorm verbleibenden Anwendungsbereich der Konzentrationsermächtigung auch auf Berufungsverfahren gegen strafrichterliche Urteile erweitern wollte (vgl. hierzu BT Drucks. VIII/976).

Abschließend weist der Senat – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – darauf hin, dass die hier vertretene Lesart offenbar auch von den Landesjustizverwaltungen anderer Bundesländer geteilt wird. In Schleswig-Holstein etwa ist von der Konzentrationsermächtigung in § 74c Abs. 3 GVG ausdrücklich nur insoweit Gebrauch gemacht worden, als das Landgericht erstinstanzlich oder für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Schöffengerichts zuständig ist (§ 1 der schleswig-holsteinischen Landesverordnung über die Zuständigkeit der Landgerichte in Wirtschaftsstrafsachen vom 21.7.2005). In Baden-Württemberg und Bayern beschränkt sich die Konzentration in Wirtschaftsstrafsachen sogar auf die erstinstanzliche Zuständigkeit der Strafkammern bei den Landgerichten (§ 40 der baden-württembergischen Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 16.11.2004; § 17 der bayerischen Verordnung des Justizministeriums über Zuständigkeiten in der Justiz vom 20.11.1998)

Schulze
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