Text des Beschlusses
2 W 77/10;
Verkündet am:
03.08.2011
OLG Oberlandesgericht Naumburg
Vorinstanzen: 3 T 308/10 Landgericht Magdeburg; Rechtskräftig: unbekannt! Ein anderer Kostenschuldner als der Entscheidungsschuldner darf von der Landes- oder Bundeskasse erst dann für die Gerichtskosten in Anspruch genommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 31 GKG hinsichtlich sämtlicher Entscheidungsschuldner vorliegen Leitsatz des Gerichts: 1. Ein anderer Kostenschuldner als der Entscheidungsschuldner darf von der Landes- oder Bundeskasse erst dann für die Gerichtskosten in Anspruch genommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 S. 1 GKG hinsichtlich sämtlicher Entscheidungsschuldner vorliegen. 2. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Entscheidungsschuldner führt nicht dazu, dass die Landeskasse nunmehr einen anderen Kostenschuldner als einen Entscheidungsschuldner für die Gerichtskosten in Anspruch nehmen darf. Vielmehr hat die Landeskasse selbst an Stelle dieses Entscheidungschuldners für die Gerichtskosten ein-zutreten, einschließlich der Verpflichtung zur Rückzahlung von Gerichtskostenvorschüssen anderer Kostenschuldner. In dem Rechtsstreit … … hier: weitere Beschwerde gegen den Kostenansatz hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Manshausen und den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann am 3. August 2011 beschlossen: Die weitere Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 30. Juni 2010 wird zurückgewiesen. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet. Hierfür hat sie einen Gerichtskostenvorschuss in Höhe von 291,00 € an die Landeskasse geleistet. Der Beklagten zu 2) ist mit Beschluss des Amtsgerichts Haldensleben vom 6. April 2009 ratenfreie Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt worden. Mit seinem am 1. Oktober 2009 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht Haldensleben der Klage stattgegeben, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung verurteilt und ihnen die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit Kostenrechnung vom 9. November 2009 hat das Amtsgericht Haldensleben die Gebühren und Auslagen des Gerichts auf insgesamt 219,00 € festgesetzt, diese Kosten mit dem Kostenvorschuss der Klägerin verrechnet und im Ergebnis eine Auszahlung verbleibender Überschüsse in Höhe von 72,00 € an die Klägerin angeordnet. Diese Auszahlungsanordnung ist vollzogen worden. Die Klägerin hat gegen die Kostenrechnung vom 9. November 2009 am 24. November 2009 Erinnerung eingelegt und die Rückerstattung weiterer 219,00 € begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die der Beklagten zu 2) bewilligte Prozesskostenhilfe auch zur Deckung der Gebühren und Auslagen des Gerichts heranzuziehen sei. Dieser Rechtsansicht ist die Landeskasse entgegen getreten und hat sich darauf berufen, dass nach erfolgloser Inanspruchnahme des Beklagten zu 1) als Erstkostenschuldner nunmehr unmittelbar die Klägerin als Zweitkostenschuldnerin in Anspruch genommen werden dürfe. Das Amtsgericht Haldensleben hat die Erinnerung der Klägerin mit Beschluss vom 6. Mai 2010 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 20. Mai 2010 Beschwerde eingelegt. Mit seinem Beschluss vom 30. Juni 2010 hat das Landgericht Magdeburg die angefochtene Entscheidung abgeändert und den Kostenansatz vom 9. November 2009 aufgehoben. Es hat angeordnet, dass der Klägerin weitere 219,00 € auszuzahlen seien. Zugleich hat es die weitere Beschwerde zugelassen. Am 3. August 2010 hat die Landeskasse gegen den Beschluss des Landgerichts Magdeburg weitere Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt. Alle Verfahrensbeteiligten hatten im Verfahren der weiteren Beschwerde Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme. Hiervon hat die Landeskasse Gebrauch gemacht. Die weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung. Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Inanspruchnahme der Klägerin für die gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits nicht gerechtfertigt ist. Die Klägerin ist allerdings Kostenschuldnerin nach § 22 Abs. 1 S. 1 GKG, weil sie den Rechtsstreit durch Klageerhebung eingeleitet hat. Weitere Kostenschuldner sind die Beklagten nach § 29 Nr. 1 GKG, und zwar wegen ihrer Verurteilung in der Hauptsache auch hinsichtlich der Kosten als Gesamtschuldner (§ 100 Abs. 4 S. 1 ZPO). Für den Fall der Existenz mehrerer Kostenschuldner, wie hier, ist in § 31 Abs. 2 S. 1 GKG ausdrücklich geregelt, dass Kostenschuldner nach § 29 Nr. 1 GKG, wie hier beide Beklagte (sog. Entscheidungsschuldner), vorrangig in Anspruch zu nehmen sind, d.h. dass ein anderer Kostenschuldner als der Entscheidungsschuldner erst nachrangig, also an zweiter Stelle nach erfolgloser oder aussichtsloser Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Entscheidungsschuldners, herangezogen werden darf. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass diese gesetzlich angeordnete Rangfolge dazu führt, dass vor einer berechtigten Inanspruchnahme eines Kosten-Zweit-schuldners die genannten Voraussetzungen für alle Kosten-Erstschuldner vorliegen müssen. Denn im Verhältnis zu jedem einzelnen Entscheidungsschuldner bleibt der Kosten-Zweitschuldner der nachrangig Haftende. Das zeigt sich nicht zuletzt auch in der Spezialregelung des Abs. 2 S. 2 dieser Vorschrift. Dieselbe Auffassung wird sowohl in der Rechtsprechung (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.04.2007 – OLGR Koblenz 2007, 728; hier zitiert nach juris) als auch in der Literatur (vgl. Hartmann, KostG, 41. Aufl., § 31 GKG, Rn. 7, 14) vertreten. Im Grundsatz wird diese Ansicht auch in der von der Landeskasse angeführten Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss v. 02.04.2009, I-10 W 23/09 – OLGR Düsseldorf 2009, 522, hier zitiert nach juris) geteilt (vgl. Abschnitt I. 1. a) der Gründe, Tz. 4). Mit seiner vorzitierten Entscheidung hat das Oberlandesgericht Düsseldorf allerdings die in § 31 Abs. 2 GKG genannten beiden alternativen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme anderer als der Entscheidungsschuldner um eine dritte Alternative erweitert. Dem vermag der erkennende Senat aber nicht zu folgen. Die beiden gesetzlich vorgesehenen Alternativen – ein tatsächlich erfolgloser Versuch der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen eines jeden Entscheidungsschuldners bzw. die Aussichtslosigkeit eines solchen Versuchs, ebenfalls aus tatsächlichen Gründen – sind sowohl in dem von Düsseldorf entschiedenen Fall als auch im vorliegenden Falle nicht erfüllt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf beruft sich letztlich auf eine rechtliche Unmöglichkeit. Die hierfür herangezogene Vorschrift des § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO führt jedoch in keinem Falle zu einer dauerhaften Unmöglichkeit der Inanspruchnahme des Prozesskostenhilfeempfängers (vgl. nur § 124 ZPO) und jedenfalls auch in allen Fällen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit einer Ratenzahlungsverpflichtung (§ 120 Abs. 1 und 2 ZPO) nicht zu einer vollständigen Unmöglichkeit, sondern nur zu einem Zahlungsaufschub. Insoweit fehlt es bereits an der Vergleichbarkeit dieser Situation mit den beiden geregelten Alternativen in § 31 Abs. 2 GKG. Maßgeblich ist, dass es für eine erweiternde Auslegung der gesetzlichen Vorschrift des § 31 Abs. 2 GKG an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehlt. Denn dem Gesetzgeber waren bei der Schaffung des § 31 Abs. 2 GKG die Probleme im Zusammenhang mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Kostenschuldner bewusst, wie sich schon daran zeigt, dass er ihnen in § 31 Abs. 3 GKG eine spezielle Regelung gewidmet hat. Darüber hinaus betrifft die Regelung des § 31 Abs. 3 S. 1 GKG gerade die hier vorliegende Konstellation und ordnet ausdrücklich eine Rückzahlung von Gerichtskostenvorschüssen an einen Kosten-Zweitschuldner an, wenn einem Entscheidungsschuldner Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Mit anderen Worten: Das Rangverhältnis zwischen mehreren Kostenschuldnern regelt allein § 31 Abs. 2 GKG, und zwar im vorausgeführten Sinne und ohne die Notwendigkeit einer erweiternden Auslegung. An diesem Rangverhältnis wird durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen oder mehrere Kostenschuldner nichts geändert. Im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe tritt lediglich die Landeskasse (zunächst) an die Stelle des betroffenen Kostenschuldners. Der Klägerin als Veranlassungsschuldnerin i.S. von § 22 Abs. 1 Nr. 1 GKG steht zwar gegen die Beklagte zu 2) als Entscheidungsschuldnerin kein Anspruch auf Erstattung von Gerichtskostenvorschüssen im Rahmen der Kostenfestsetzung zu (so auch OLG Stuttgart, Beschluss v. 07.02.2011, 8 WF 7/11 – JurBüro 2011, 264, hier zitiert nach juris), wohl aber gegen die Landeskasse als Anspruch auf Kostenrückerstattung nach § 31 Abs. 3 S. 1 GKG. Diese Rechtslage entspricht auch vollständig der Intension des Gesetzgebers bei der Schaffung der genannten Vorschrift (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 11.11.2003, BT-Drs. 15/1971, S. 153 rechte Spalte: „Soweit der Partei, die für die Gerichtskosten als Entscheidungsschuldnerin haftet, Prozesskostenhilfe bewilligt ... worden ist, sollen einem anderen Kostenschuldner die von ihm bereits erhobenen Gerichtskosten zurückgezahlt werden.“). Die weitere von der Landeskasse angeführte Entscheidung (BFH, Beschluss v. 12.12.2008, IV E 1/08 – zitiert nach juris) ist hier nicht einschlägig. Dort ging es um die – im Ergebnis als berechtigt angesehene – Inanspruchnahme eines anderen Kosten-Erstschuldners, der gesamtschuldnerisch neben einer Kosten-Erstschuldnerin für die Kosten des Rechtsstreits zu haften hatte, und um die Rechtsfrage, ob sich der in § 31 Abs. 3 S. 1 GKG verwendete Begriff des „anderen“ Kostenschuldners auch auf einen anderen Kosten-Erstschuldner bezieht (was verneint wurde) oder allein auf sog. Kosten-Zweitschuldner i.S. von § 31 Abs. 2 GKG. Mit anderen Worten: Die hier vorgenommene Auslegung der Vorschrift, wonach sich der Begriff auf einen sog. Kosten-Zweitschuldner bezieht, wurde in dieser Entscheidung nicht in Zweifel gezogen. Die Festsetzung eines Streitwerts für die Gebührenberechnung im Verfahren der weiteren Beschwerde war entbehrlich. gez. Dr. Engel gez. Manshausen gez. Wiedemann ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. 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