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Text des Beschlusses
1 Ws 70/11;
Verkündet am: 
 20.07.2011
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Vorinstanzen:
508 StVK 1344/10
Landgericht
Stendal;
Rechtskräftig: unbekannt!
§ 69 Abs. 2 StVollzG gibt dem Gefangenen einen Anspruch auf Besitz und Nutzung eines eigenen Hörfunk- und Fernsehgerätes, der nur unter den Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 StVollzG versagt werden kann
Leitsatz des Gerichts:
§ 69 Abs. 2 StVollzG gibt dem Gefangenen einen Anspruch auf Besitz und Nutzung eines eigenen Hörfunk- und Fernsehgerätes, der nur unter den Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 StVollzG versagt werden kann. Hörfunk- und Fernsehgeräte i. S. d. § 69 StVollzG sind auch solche Geräte, die über Zusatzfunktionen wie Internetbrowser oder Schnittstellen zur Datenübertragung verfügen.

Der Besitz und die Nutzung von eigenen Rundfunk- und Fernsehgeräten kann dabei nicht durch eine Allgemeinverfügung in Form einer Hausordnung geregelt werden; erforderlich ist vielmehr eine Einzelfallprüfung.

Der zumutbare Kontrollaufwand bestimmt sich nach den konkreten örtlichen Verhältnissen, wobei zur Vermeidung der Ungleichbehandlung von Gefangenen auch die Handhabung in anderen Vollzugsanstalten zu berücksichtigen ist.

Ein Gefangener kann im Land Sachsen-Anhalt zur Erleichterung des Kontrollaufwandes mangels gesetzlicher Grundlage nicht auf die Anmietung eines Rundfunk- oder Fernsehgerätes bei einem autorisierten Privatunternehmen verwiesen werden.
In der Strafvollzugssache
des … ,
- Antragsteller und Beschwerdegegner -,

gegen
…
- Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin -,
Beteiligter: …

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 20. Juli 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krüger, den Richter am Oberlandesgericht Halves und die Richterin am Amtsgericht Häußler beschlossen:

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 8. Strafkammer – Strafvollstreckungskammer – des Landgerichts Stendal vom 29. November 2010 aufgehoben, soweit er die Verpflichtung betrifft, dem Antragsteller sein auf der Habe befindliches Fernsehgerät herauszugeben.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an dieselbe Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal zurückverwiesen.

3. Der Gegenstandswert wird auf 600,- Euro festgesetzt.



Gründe:


I.

Der Antragsteller befindet sich seit dem 15. Oktober 2008 in Strafhaft, die zunächst in der Justizvollzugsanstalt M. vollzogen wurde, wo es ihm gestattet war, sein eigenes Fernsehgerät im Haftraum zu nutzen.

Am 29. September 2009 wurde der Antragsteller in die Justizvollzugsanstalt B. verlegt und sein Fernsehgerät zur Habe genommen.

Mit Schreiben vom 07. Oktober 2010 hat der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Nutzung eines eigenen Fernsehgerätes in seinem Haftraum beantragt.

Die Antragsgegnerin hat durch Bescheid vom 15. Oktober 2010 die beantragte Herausgabe des Fernsehgerätes abgelehnt und den Antragsteller darauf verwiesen, dass ihm ein kombiniertes Rundfunk- und Fernsehgerät mit CD/DVD-Abspielmöglichkeit zur Anmietung von einem hierzu autorisierten Privatunternehmen und zur Nutzung im Haftraum genehmigt worden sei.

Der Antragsteller beantragte mit einem am 12. Oktober 2010 beim Landgericht Stendal eingegangenem Schreiben dagegen die gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zur Herausgabe des Fernsehers zu verpflichten und im Gegenzug das von ihm angemietete Gerät zurückzunehmen.

Mit ihrer Stellungnahme vom 19. November 2010 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag zurückzuweisen.

Die in der Justizvollzugsanstalt B. untergebrachten Strafgefangenen hätten die Möglichkeit am kostenfreien Gemeinschaftsfernsehen teilzunehmen.

Die Hausordnung der Justizvollzugsanstalt B. in der Fassung vom 19. März 2010 sehe unter Punkt 5.4 darüber hinaus vor, dass eigene Hörfunk-, Fernseh- und andere Geräte der Unterhaltungselektronik im Haftraum generell nicht zugelassen seien.

Den Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten werde insoweit als Ausnahme die Möglichkeit eingeräumt, ein kombiniertes Rundfunk- und Fernsehgerät mit CD/DVD-Abspielmöglichkeit über ein hierfür durch die Justizvollzugsanstalt autorisiertes Privatunternehmen entgeltlich anzumieten. Der Mietpreis betrage monatlich momentan sechs Euro.

Die 8. Strafkammer des Landgerichts Stendal hat mit Beschluss vom 29. November 2010 (508 StVK 1344/10) den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Oktober 2010 aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller sein privates TV-Gerät herauszugeben. Im Übrigen wurde der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.

Gegen den ihr am 03. Dezember 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29. Dezember 2010 beim Landgericht Stendal eingegangene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Klärungsbedürftig sei, ob die Herausgabeverpflichtung in Bezug auf das Fernsehgerät hätte erfolgen dürfen, bevor eine Feststellung der Vollzugsbehörde zum angemessenen Umfang im Sinne des § 69 Abs. 2 in Verbindung mit § 70 Abs. 1 StVollzG „positiv“ bejaht worden sei.

Darüber hinaus sei die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer rechtsfehlerhaft, da dem Gefangenen die Besitzerlaubnis für sein Fernsehgerät entzogen wurde und somit § 70 Abs. 3 StVollzG und nicht § 70 Abs. 1 und Abs. 2 StVollzG als Rechtsgrundlage herangezogen werden müssten.

Zudem wohne einem eigenen Fernsehgerät eine generell-abstrakte Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt B. i.S.d. § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG inne. Der Verwaltungsaufwand, der durch die erforderlichen Kontrollen von eigenen Fernsehgeräten in Haft- und Verwahrräumen bestünde, sei durch die Justizvollzugsanstalt nicht zu leisten.


II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Sie ist auch statthaft gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG. Der angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer genügt nicht den Anforderungen, die § 267 StPO an die Begründung eines strafrechtlichen Urteils stellt. Danach müssen die entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte so vollständig wiedergeben werden, dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine hinreichende Überprüfung möglich ist (Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 115 Rn. 10 mit zahlreichen Rspr.-Nachweisen). Verfehlt der Beschluss diese Anforderungen, so ist er schon deswegen aufzuheben, weil seine Begründung eine Beurteilung, ob die in § 116 Abs. 1 StVollzG genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen, nicht ermöglicht und sich damit einer Nachprüfbarkeit entzieht (OLG Koblenz Beschluss vom 19. November 2007 - 1 Ws 501/07; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 116 Rn. 3 m. w. N.; Senat, Beschluss vom 01. März 2010 – 1 Ws 3/10).

Im vorliegenden Fall ist die Kammer ihrer Aufklärungspflicht im Hinblick auf die Beschaffenheit des Fernsehgerätes, der Übersichtlichkeit des Haftraumes sowie der sich aus der Person des Antragstellers ergebenden Gründe, die eine Versagung der Herausgabe des streitgegenständlichen Geräts rechtfertigen könnten, nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen. Überdies fehlen Feststellungen zu Art und Umfang der dem Antragsteller in der JVA M. erteilten Erlaubnis.

Zum anderen ist die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu der Frage geboten, ob und in welcher Form die Antragsgegnerin das Recht auf den Besitz und die Nutzung eines eigenen Fernsehgerätes im Haftraum beschränken kann.

2. Die Sachrüge hat – vorläufig – Erfolg und führt im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung an dieselbe Strafvollstreckungskammer des Landgerichts.

Die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer versetzen den Senat nicht in die Lage zu prüfen, ob das Landgericht die Voraussetzungen des § 70 Abs. 3 StVollzG in Verbindung mit §§ 70 Abs. 1 und Abs. 2 StVollzG in Verbindung mit § 69 Abs. 2 StVollzG ausreichend festgestellt und rechtsfehlerfrei die Herausgabe des Fernsehgerätes angeordnet hat.

a) (1) Nach Erlass des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Förderalismusreformgesetz) vom 28. August 2006 werden die Rechte der Strafgefangenen in Sachsen-Anhalt bis zum Inkrafttreten eines eigenen Landesgesetzes gemäß § 125a Abs. 1 GG durch das als Bundesrecht erlassene Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2274), geregelt.

(2) In welchem Umfang Strafgefangene Gegenstände zur Freizeitgestaltung besitzen dürfen, richtet sich somit nach den §§ 67 ff. StVollzG.

Nach § 69 Abs. 2 StVollzG sind eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte unter den Voraussetzungen des § 70 StVollzG im Haftraum zuzulassen. Fernsehgeräte i.S.d. § 69 Abs. 2 StVollzG sind dabei auch solche Geräte, die über Zusatzfunktionen, wie Radio, DVD- und CD-Abspielmöglichkeit, integrierte Satellitenempfänger, Internetbrowser oder vorhandene Schnittstellen zur Datenübertragung, verfügen.
Ein Strafgefangener hat gemäß § 70 Abs. 1 StVollzG Anspruch auf den Besitz und die Nutzung eines eigenen Fernsehgerätes, soweit dadurch gemäß § 70 Abs. 2 StVollzG die Erreichung des Vollzugszieles oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt nicht gefährdet wird. § 70 Abs. 2 StVollzG enthält demnach nur eine Ausnahmeregelung. Zudem enthält die Vorschrift eine abschließende Regelung.

Aus den Vorschriften §§ 69 Abs. 2, 70 StVollzG folgt, dass der generelle Ausschluss eingebrachter Fernsehgeräte durch eine Allgemeinverfügung, wie eine Hausordnung, nicht möglich ist. Vielmehr setzt er eine Einzelfallprüfung voraus.

§ 4 Abs. 2 Satz 2 StVollzG kommt als Ermächtigungsgrundlage für eine den Besitz und die Nutzung einschränkende Maßnahme ebenfalls nicht in Betracht, da der Gesetzgeber die zu entscheidende Frage unter offenbarer Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen abschließend geregelt hat.

(3) Es ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Besitz des zur Nutzung beantragten Fernsehgerätes im Haftraum gemäß § 70 Abs. 2 StVollzG ausnahmsweise versagt werden kann.

Das Tatbestandsmerkmal der Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt in § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, dessen Auslegung und Anwendung durch die Vollzugsbehörde der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt und sich am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auszurichten hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24. März 1995, 1 Vollz (Ws) 226/94; OLG Koblenz, StV 1981, 184).

Nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG ist die von einem Gegenstand ausgehende abstrakte Gefahr aufgrund seiner Eignung, in einer die Sicherheit und Ordnung gefährdenden Weise eingesetzt zu werden, als Versagungsgrund ausreichend, sofern dieser Gefahr nicht mit den im Rahmen einer ordnungsgemäßen Aufsicht anzuwendenden Kontrollmitteln der Justizvollzugsanstalt begegnet werden kann (vgl. BVerfG, NJW 2003, 2447; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2005, 191; jeweils m. w. N.).

Die Frage, ob der Besitz eines Gegenstandes die Sicherheit und Ordnung der Anstalt im Sinne von § 70 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. StVollzG gefährdet, hängt dabei aber weitgehend von den Umständen des Einzelfalles ab, nämlich von der Art des Gegenstandes (z.B. Eignung des jeweiligen Gegenstandes als Versteck, Möglichkeit des Umbaus zu sicherheitsgefährdenden Zwecken), von den Verhältnissen in der konkreten Justizvollzugsanstalt und von der Person des Strafgefangenen, der den Antrag auf Besitz des Gegenstandes gestellt hat und ist deswegen überwiegend tatsächlicher Natur (vgl. BGH, NStZ 2000, 222).

Wird nach dieser Einzelfallprüfung eine abstrakte Gefährdung durch den einzubringenden Gegenstand im Sinne des § 70 Abs. 2 StVollzG festgestellt, besteht jedoch die Möglichkeit dieser Gefahr entgegenzuwirken, so ist der Besitz nur dann zu versagen, wenn die Gefahr nur mit einem der Anstalt nicht mehr zumutbarem Kontrollaufwand ausgeschlossen werden kann. Dies ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, § 81 Abs. 2 StVollzG (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2003, 2447; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1999, 156; OLG Hamm, StV 2002, 270, Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 70 Rdn. 3).

Der zumutbare Kontrollaufwand wird dabei nicht nur durch die konkreten örtlichen Verhältnisse, insbesondere dem Sicherheitsgrad der Anstalt, und die vorhandene Personalausstattung bestimmt. Zur Vermeidung der Ungleichbehandlung von Strafgefangenen ist vielmehr auch die Handhabung in anderen Vollzugsanstalten zu berücksichtigen. Die von der Antragsgegnerin abgelehnten Kontrollmaßnahmen sind in anderen Justizvollzugsanstalten des Landes Sachsen-Anhalt und darüber hinaus auch in den Justizvollzugsanstalten anderer Bundesländer gängige Vorgehensweise. Im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist deshalb auch darauf abzustellen, dass zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung von Gefangenen, die sich in vergleichbarer Lage befinden, eine ausreichende Kontrollierbarkeit bei gleicher Handhabung gewährleistet sein muss (vgl. BVerfG NJW 2003, 2447). Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass in der Justizvollzugsanstalt B. neben in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten eine Vielzahl von Strafgefangenen einsitzt, die wegen schwerer Delikte zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden sind, so dass entsprechend des Vortrages der Antragsgegnerin ein erhöhter Sicherheitsstandard erforderlich ist.

Bei der vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber, wie oben ausgeführt, den Besitz von Hörfunk- und Fernsehgeräten im Haftraum gemäß § 69 Abs. 2 StVollzG ausdrücklich unter den Voraussetzungen des § 70 StVollzG zugelassen hat.

Daraus resultiert, dass auch der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass den mit Fernsehgeräten verbundenen Gefahrenquellen in der Regel dadurch völlig begegnet werden kann, dass das Gerät verplombt bzw. versiegelt und in die üblichen Kontrollen einbezogen wird.

Die technologische Entwicklung bei Fernsehgeräten hat aber dazu geführt, dass diese nicht mehr nur zur Bild – bzw. Programmwiedergabe dienen, sondern darüber hinaus auch durch zusätzlich integrierte Geräte, etwa einem CD/DVD-Recorder, integrierter Satellitenempfänger, Internetbrowsern oder durch vorhandene Schnittstellen zur Datenübertragung, über die Bildwiedergabe hinaus weitere Funktionen aufweisen. Aufgrund dieser Multifunktionalität kann es zu Gefährdungen der Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt kommen, vor allem wegen der Gefahr des Missbrauchs von Speicherfunktionen und des Risikos unkontrollierten Informationsaustauschs. Die im Fernsehgerät integrierten Funktionen unterfielen häufig, würde man die Erlaubnis zu ihrem Besitz jeweils als Einzelgerät prüfen, einem Versagungsgrund gemäß § 70 Abs. 2 StVollzG (z. B. integriertes DVB-T-Empfangsteil, Internetfähigkeit).

Eine Versagung zur Nutzung eines Fernsehgerätes ist zwar gerechtfertigt, wenn die von dem Fernsehgerät ausgehende abstrakt-generelle Gefahr für die Sicherheit der Anstalt nicht durch eine ordnungsgemäße Aufsicht unter Zuhilfenahme der gebotenen Kontrollmittel seitens der Vollzugsanstalt ausgeschlossen bzw. auf ein nicht mehr beachtliches Maß reduziert werden kann (vgl. BVerfG, NJW 2003, 2447, 2448; OLG Celle, NStZ-RR 2009, 190). Aufgrund der oben genannten in Fernsehgeräten integrierten Technologien könnte dies aber zu einem Verlust des Ausnahmecharakters des § 70 Abs. 2 StVollzG und zu einer Aushebelung des Anspruches nach § 69 Abs. 2 StVollzG führen, zumal immer weniger Fernsehgeräte nur der Bildwiedergabe dienen. Auch die sich aus den technischen Möglichkeiten ergebenden abstrakten Missbrauchsgefahren können deshalb entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht zu einem generellen Verbot solcher Multifunktionsgeräte führen. Auch bei diesen ist vielmehr eine Einzelfallprüfung erforderlich, die sich neben der Beschaffenheit des Gerätes und dem Sicherheitsgrad der Justizvollzugsanstalt auch an den konkreten örtlichen Gegebenheiten und den persönlichen Verhältnissen des Strafgefangenen zu orientieren hat.

Der Antragsgegnerin ist deshalb zuzugestehen, dass neue Technologien die Kontrollierbarkeit immer schwieriger machen. Dem ist aber entgegenzusetzen, dass insoweit auch der Angleichungsgrundsatz des § 3 StVollzG zu beachten ist, so dass auch die Sicherungsmaßnahmen den neuen Technologien, soweit dies möglich ist, angepasst werden müssen. Auch die Zumutbarkeit der Kontroll- und Sicherheitsvorkehrungen der Justizvollzugsanstalt unterliegt deshalb einer Entwicklung.

Erst wenn festgestellt werden kann, dass bei einer Einzelfallprüfung die Gefährdung durch bestimmte Fernsehgeräte aufgrund ihrer Multifunktionalität nicht mehr durch einen, der neuen Technologie angepassten, zumutbaren Kontrollaufwand entgegengewirkt werden kann, können diese versagt werden. Hierfür reicht es aber nicht aus, die Gefährlichkeit allein aufgrund eigener Sachkunde zu behaupten. Erforderlich ist vielmehr eine sachverständige Untersuchung. Eine solche ist vorliegend nicht erfolgt. Die Strafvollstreckungskammer hat sich mit den konkreten technischen Möglichkeiten des streitgegenständlichen Fernsehgerätes nicht auseinandergesetzt.

Der Vortrag der Antragsgegnerin, Fernsehgeräte würden aufgrund von langjährigen Erfahrungen untersagt, weil diese immer wieder als Versteckmöglichkeiten für Drogen, Handys oder andere verbotene Gegenstände missbraucht würden, rechtfertigt ein generelles Verbot deshalb nicht, da bereits keine Einzelfall bezogenen Gefahrenprognose vorgenommen wird. Auch die von der Antragsgegnerin als unzumutbarer Kontrollaufwand dargelegten Gründe orientieren sich nicht an dem vorliegenden Einzelfall. Dass im konkreten Fall bestehenden Gefahren nicht durch Sicherheitsmaßnahmen und Kontrollen begegnet werden kann, hat die Antragsgegnerin ebenfalls nicht ausreichend dargelegt.

Selbst dann, wenn ein Sachverständigengutachten, das vergleichbar für alle Multifunktionsgeräte eingeholt werden könnte, zu dem Ergebnis käme, dass von den heute üblicherweise sich im Handel befindlichen Fernsehgeräten aufgrund ihrer Multifunktionalität eine abstrakt-generelle Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt in einem Umfang ausgehen würde, dass der Kontrollaufwand zu deren Abwehr im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse der Justizvollzugsanstalt als nicht mehr zumutbar anzusehen wäre, wäre gleichwohl nach Ansicht des Senats der Antragsgegnerin aber die grundsätzliche Verweisung auf von Dritten anzumietende Fernsehgeräte durch Vertrag nach dem Strafvollzugsgesetz nicht möglich (so auch OLG Dresden, Beschluss vom 27. Juni 2007, 2 Ws 38/07). Ein als rein zivilrechtlich anzusehendes vertragliches Verhältnis zwischen dem Strafgefangenen und einem privaten Dritten würde nämlich nicht mehr der Überprüfung des StVollzG unterliegen. Dies hätte zur Folge, dass die Strafgefangenen, die einen Monopolvertrag abschließen müssten, dem schutzlos ausgeliefert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.07.2010 –2 BvR 328/07) wären. Dass eine solche Gefahr tatsächlich besteht, manifestiert sich in der Tatsache, dass die Antragsgegnerin eine Mieterhöhung wohl bereits jetzt nicht ausschließt, indem sie vorträgt, dass der Mietpreis für das Fernsehgerät „momentan“ 6,00 Euro beträgt.

Dies gilt auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall die Justizvollzugsanstalt bei der Ausführung der nicht hoheitsrechtlichen vollzuglichen Hilfs-, Versorgungs- und Betreuungsaufgaben grundsätzlich eine anstaltsinterne private Betreibergesellschaft zur Hilfe nimmt. Einer Verweisung auf Mietgeräte stehen auch in diesem Fall zum einen die §§ 3 und 4 StVollzG und zum anderen die grundgesetzlich garantierte Informationsfreiheit entgegen.

Dies heißt aber nicht, dass die Justizvollzugsanstalt grundsätzlich nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen könnte, den Strafgefangenen darauf zu verweisen, anstelle des eigenen ein von der Vollzugsbehörde überlassenes Gerät zu verwenden.

Einer Verweisung, anstelle eigener von der Vollzugsbehörde überlassene Fernsehgeräte zu verwenden, stünden nach Ansicht des Senats nämlich dann keine rechtlichen Bedenken entgegen, wenn insoweit eine gesetzliche Rechtsgrundlage geschaffen würde. Die Erhebung von Kostenbeiträgen wäre dann nur als ausgeschlossen anzusehen, wenn allein durch Überlassung eines solchen Fernsehgerätes eine angemessene Grundversorgung sichergestellt würde, etwa weil keine Möglichkeit besteht, an einem gemeinschaftlichen Fernsehempfang teilzunehmen. Die rechtliche Ausgestaltung bei der Erhebung etwaiger Kostenbeiträge müsste dabei aber im hoheitlichen Verantwortungsbereich des Landes Sachsen-Anhalt verbleiben. Nur eine Erhebung der Kosten seitens der Vollzugsanstalt hat nämlich die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 109 bis 121 StVollzG zur Folge. Dies ist bereits deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil zum einen die typischerweise beschränkte wirtschaftliche Situation des Strafgefangenen und die Verhältnismäßigkeit der zusätzlichen finanziellen Belastungen berücksichtigt werden müssen und zum anderen die rechtliche Ausgestaltung einer solchen Konstellation vollumfänglich im Rahmen der genannten Vorschriften rechtlich nachprüfbar bleiben muss.

(4) Der Beschwerdegegner wandte sich mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 12. Oktober 2010 gegen den Widerruf der Erlaubnis zum Besitz seines eigenen Fernsehgerätes, welchen er im Zuge seiner Verlegung aus der Justizvollzugsanstalt M. mitbrachte.

Eine Erlaubnis zur Benutzung eines eigenen Fernsehgerätes verliert durch die Verlegung des Strafgefangenen in eine andere Vollzugsanstalt nicht ihre Wirksamkeit (Senat, Beschluss vom 03. März 2010, 1 Ws 17/10; OLG Karlsruhe, NJW 1990, 2010).

Sie kann dem Strafgefangenen gemäß § 70 Abs. 3 StVollzG bei Vorliegen eines Versagungsgrundes nachträglich nur im Ermessenswege widerrufen werden, d.h. es bedarf jeweils einer auf den konkreten Einzelfall bezogenen Abwägung des Interesses der Allgemeinheit an einem Widerruf der Erlaubnis gegenüber dem Interesse des Strafgefangenen am Fortbestand der ihn begünstigenden Rechtslage. Pauschale Erwägungen oder das Berufen auf eine etwaige Hausordnung genügen hierfür nicht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach dem Willen des Gesetzgeber (§ 2 Satz 1 StVollzG) und von Verfassungswegen das herausragende Ziel des Strafvollzuges die Resozialisierung oder Sozialisation des Gefangenen ist, und Gefangene gerade angesichts der Vielzahl vollzugsbedingter Beschränkungen auf den Fortbestand einer ihnen von der Anstalt einmal eingeräumter Rechtspositionen im besonderem Maße vertrauen, solange sie mit dem ihnen durch die Einräumung der Rechtsposition entgegengebrachten Vertrauen verantwortungsvoll umgegangen sind und in ihrer Person keine Widerrufsgründe verwirklicht haben (BVerfG NStZ, 1994, 100f; Senat Beschluss vom 03. März 2010, 1 Ws 17/10; OLG Dresden NStZ 2007, 175).

b) Die Feststellungen der Strafvollstreckungskammer ermöglichen es dem Senat vorliegend nicht, die erforderliche Einzelfallprüfung nach den oben genannten Vorgaben vorzunehmen, da die anknüpfenden konkreten Feststellungen dem angefochtenen Beschluss nicht zu entnehmen sind.

Die Strafvollstreckungskammer hat zwar unterstellt, dass dem Gerät des Antragstellers keine Gefährlichkeit zukomme, die Übersichtlichkeit des Haftraumes gewahrt bleibe und keine Gründe in der Person des Antragstellers vorlägen, die eine Versagung der Herausgabe des Geräts rechtfertigen und deshalb die Antragsgegnerin zur Herausgabe des Fernsehgerätes – aus dann zutreffenden Gründen – verpflichtet. Diese Feststellungen basieren aber allein darauf, dass die Antragsgegnerin zu diesen Gesichtspunkten nichts bzw. nichts Gegenteiliges vorgetragen hat. Im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG gilt aber der Grundsatz der Amts¬ermittlung (Untersuchungsgrundsatz). Das Gericht hat den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 115 Rn. 3 m. w. N.; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 22.10.1987 – 1 Vollz (Ws) 233/87). Dem ist die Strafvollstreckungskammer hier nicht ausreichend nachgekommen.

Mangels einer näheren Beschreibung des vom Antragsteller begehrten Fernsehgerätes, also insbesondere von Typ, Funktionsumfang, Abmessung des Gerätes sowie von als Versteck in Frage kommenden Hohlräumen sind schon Art und Ausmaß der generell-abstrakten Gefährlichkeit des Geräts einer Überprüfung durch den Senat nicht zugänglich.

Des Weiteren fehlt es an jeglichen Feststellungen zur Möglichkeit bzw. zum Aufwand einer Kontrolle des Geräts im Hinblick auf etwa darin versteckte bzw. zu versteckende Gegenstände, Versiegelung oder Verplombung bzw. Unbrauchbarmachung von Schnittstellen, wodurch die gegebenenfalls bestehende Gefährlichkeit reduziert oder beseitigt werden könnte. Aus dem Beschluss ist insbesondere nicht zu entnehmen, ob es sich bei dem Gerät auch um ein Datenspeichergerät handelt oder Schnittstellen vorhanden sind, die einen unkontrollierten Datenaustausch möglich machen. Denn etwa durch die Möglichkeit der drahtlosen Datenübertragung mit dem entsprechenden Gerät stünden dem Untergebrachten nicht kontrollierbare Mittel zur Verfügung, die sowohl das Einschmuggeln illegaler Dateien als auch Absprachen über andere rechtswidrige Handlungen ermöglichen.

Der angefochtene Beschluss enthält auch keine Auseinandersetzung mit den konkreten örtlichen Gegebenheiten der Justizvollzugsanstalt, insbesondere des Haftraumes und den persönlichen Verhältnissen des Antragstellers.

Als „angemessen“ im Sinne des § 70 Abs. 1 StVollzG ist grundsätzlich nur der Umfang von Gegenständen zu betrachten, die die Übersichtlichkeit und Durchsuchbarkeit des Haftraumes über das in Strafvollzugsanstalten übliche Maß hinaus nicht erschwert (OLG Karlsruhe, StV 2002, 668; OLG Rostock, Beschluss vom 23. Juni 2004 – I Vollz (Ws) 20/03 ). Bei der Beurteilung spielen neben den §§ 2 bis 4 StVollzG auch hierbei vor allem die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Größe des Haftraumes, der Sicherheitsgrad der Anstalt, die Personalausstattung und die Handhabung in anderen Vollzugsanstalten eine entscheidende Rolle.

Hierzu hat die Strafvollstreckungskammer keine Feststellungen getroffen. Gleiches gilt für die Frage, ob aus Gründen, die in der Person des Antragstellers liegen, die Nutzung des Fernsehgerätes in seinem Haftraum versagt bleiben muss. Ferner lassen die bisherigen Ausführungen der Strafvollstreckungskammer besorgen, dass sie die Bedeutung des Vertrauensschutzes nicht erkannt hat. Sie teilt nicht mit, auf Grund welcher näheren Regelung und wie lange der Beschwerdegegner in der JVA M. ein privates Fernsehgerät betrieben hat und ob es hierbei zu Beanstandungen gekommen ist. Ob beim Antragsteller einschneidende Änderungen in der Verhaltensweise aufgetreten sind, ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung ebenfalls nicht.

Da der Inhalt des angefochtenen Beschlusses dem Senat danach eine endgültige Entscheidung nicht ermöglicht, musste die Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer erfolgen.


III.

Den Gegenstandswert hat der Senat gemäß den §§ 65, 60, 52 Abs. 1 GKG festgesetzt.

gez. Krüger gez. Halvesgez. Häußler
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