Text des Urteils
6 Sa 107/11;
Verkündet am:
10.05.2011
LAG Landesarbeitsgericht München
Vorinstanzen: 38 Ca 11541/10 Arbeitsgericht München; Rechtskräftig: unbekannt! Alle 3 Jahre stattfindende Überprüfung/Anpassung der Betriebsrenten bezieht sich stets auf denselben Prüfungszeitraum, unabhängig ob die Anpassung nach der Teuerungsrate oder der reallohnbezogenen Obergrenze erfolgt Leitsatz des Gerichts: § 16 II BetrAVG Die alle 3 Jahre stattfindende Überprüfung/Anpassung der Betriebsrenten bezieht sich stets auf denselben Prüfungszeitraum, unabhängig ob die Anpassung nach der Teuerungsrate oder der reallohnbezogenen Obergrenze erfolgt. In dem Rechtsstreit C. C-Straße, C-Stadt - Kläger und Berufungsbeklagter - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. D-Straße, D-Stadt gegen Firma A. A-Straße, A-Stadt - Beklagte und Berufungsklägerin - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B. B-Straße, B-Stadt hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Künzl und die ehrenamtlichen Richter Geier und Beck für Recht erkannt: 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 22. Dez. 2010 – 38 Ca 11541/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird zugelassen. Der Kläger war bis 31. Dez. 2005 bei der Beklagten als Angestellter in der Niederlassung … beschäftigt. Ab 1. Jan. 2006 erhält er eine Betriebsrente in Höhe von € … brutto. Die Beklagte führt alle drei Jahre, jeweils zum 1. Juli des jeweiligen Kalenderjahres, Rentenanpassungen durch. Zum 1. Juli 2009 passte sie die Betriebsrente des Klägers um 2,91 % auf den Betrag von € … brutto an. Der Kläger widersprach der Anpassung mit Schreiben vom 3. Aug. 2009 (Anlage K 2, Bl. 22 d. A.). Er äußert darin die Ansicht, die Anpassung hätte auf der Basis des um 6.04 % gestiegenen Verbraucherpreisindexes erfolgen müssen. Das Schreiben vom 3. Aug. 2009 wird inhaltlich in Bezug genommen. Mit seiner am 14. Sept. 2010 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und der Beklagten am 20. Sept. 2010 zugestellten Klage vom 13. Sept. 2010 verfolgt der Kläger die höhere Anpassung der Betriebsrente weiter. Er ist der Ansicht, die Anpassung hätte um € 99,15 brutto/Monat höher ausfallen müssen, als durch die Beklagte angepasst, da der Verbraucherpreisindex im Zeitraum Dezember 2005 bis Juni 2009 um 6.04 % gestiegen sei. Auf die reallohnbezogene Obergrenze könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie diese nur bis Ende 2008 und nicht für den gesamten Anpassungszeitraum ermittelt habe. Die Gruppenbildung sei, ebenso wie die Herausnahme der „Executives“, nicht nachvollziehbar und rechtswidrig. Die Beklagte meint, die Anpassung sei auf die Entwicklung der Nettolöhne der aktiven Mitarbeiter begrenzt. Bei Einbeziehung aller konzernangehörigen Mitarbeiter, ausgenommen die Führungskräfte, ergebe sich für die Jahre 2006 – 2008 eine Steigerung von 2,91 %. Die erfolgte Gruppenbildung sei auch nicht zu beanstanden, da ihr zur Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze ein weiter Ermessenspielraum zustehe, wie sie meint. Mit Endurteil vom 22. Dez. 2010 hat das Arbeitsgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben. Wegen des weiteren streitigen und unstreitigen Sachvortrags, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf diese Entscheidung Bezug genommen. Das Arbeitsgericht stützt seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Überlegungen: Der Kläger habe einen gesetzlichen Anspruch auf Anpassung seiner Betriebsrente im Abstand von jeweils drei Jahren nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung seiner Belange und der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers. Hinsichtlich der Belange des Versorgungsempfängers sei der Kaufkraftverlust auszugleichen, also das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, wie es bei Beginn des Rentenbezuges bestanden habe, wieder herzustellen. Dementsprechend müsse der volle Anpassungsbedarf ermittelt werden, was durch Berücksichtigung der veröffentlichen Indexwerte, seit 1. Jan. 2003 der Verbraucherpreisindex für Deutschland, die Monate seit dem ersten Rentenbezug und dem Anpassungsstichtag zu erfolgen habe. Nach diesen Grundsätzen habe der Kläger die erforderliche Rentensteigerung richtig berechnet. Demgegenüber habe die Beklagte die Anpassung nicht auf die niedrigere Nettolohnsteigerung der aktiven Mitarbeiter begrenzen dürfen. Denn es könne aus den von ihr vorgetragenen Fakten nicht festgestellt werden, dass die Nettolöhne der bei ihr Beschäftigten in geringerem Umfang gestiegen wäre. Die Beklagte habe nur für den Zeitraum 2005 bis 3008 die Steigerung vorgetragen und sei so ihrer Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen nur der reallohnbezogenen Obergrenze nicht nachgekommen. Für das Eingreifen der reallohnbezogenen Obergrenze wäre es darauf angekommen, dass die Steigerung der Nettolöhne seit Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag geringer ausgefallen wäre als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes. Dieser zu berücksichtigende Zeitraum stehe nicht zur Disposition des Arbeitgebers. In dieser Sichtweise liege entgegen der Annahme der Beklagten keine Bevorzugung der Betriebsrentner. Angesichts dessen komme es auf die Frage der zutreffenden Gruppenbildung nicht mehr an. Die Beklagte habe die Anpassung demnach unter Zugrundelegung des Verbraucherpreisindexes vorzunehmen. Gegen diese ihr am 31. Dez. 2010 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 28. Jan. 2011, der am selben Tag per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen war, Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 28. Feb. 2011, der am selben Tag per Telefax eingegangen war, begründet. Sie hält an der Ansicht, es komme vorliegend auf die von ihr zutreffend vorgetragene reallohnbezogene Obergrenze nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG an. Die arbeitsgerichtliche Entscheidung möge zwar der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechen, verkenne aber den Regelungsgehalt des § 16 BetrAVG in seiner aktuellen Fassung. Aus § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG folge keineswegs, dass der Prüfzeitraum die seit Rentenbezug, sondern nur die seit dem letzten Anpassungsstichtag verstrichene Zeit bis zum erneuten Stichtag maßgeblich sei. Es komme daher auch nur auf den Zeitraum ab 1. Juli 2006, nicht aber ab Eintritt des Klägers in den Ruhestand an. Ansonsten wäre es dem Arbeitgeber praktisch unmöglich, da er für jeden Betriebsrentner zum jeweiligen Anpassungsstichtag individuell die Lohnentwicklung für alle vergleichbaren aktiven Arbeitnehmer zu errechnen hätte. Dieses Ergebnis finde auch in § 16 Abs. 4 BetrAVG seine Bestätigung, wonach zu Recht unterbliebene Anpassungen nicht nachzuholen seien. Wenn das Bundesarbeitsgericht meine, dies gelte nur, wenn infolge der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens kein oder kein voller Teuerungsausgleich geschuldet werde, ignoriere man damit die Intention des Gesetzgebers, die Bereitschaft der Unternehmen zur Erteilung neuer Zusagen zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu unterstützen. Nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG gelte die Prüfpflicht des Absatzes 1 als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ausfalle als der Nettolohnanstieg vergleichbarer Arbeitnehmergruppen im Prüfzeitraum. Letzterer werde gesetzlich aber nicht definiert; insbesondere besage das Gesetz nicht, dass die zugrunde zu legende Nettolohnentwicklung an den Anpassungsstichtag heranreichen müsse. Das Bundesarbeitsgericht erlaube eine Bündelung der Anpassungen der Betriebsrenten betroffenen Versorgungsberechtigten auf einen bestimmten Stichtag, die entweder vorgezogen oder verzögert vorgenommen würden. Sie habe die Bündelung auf den Stichtag 1. Juli eingeführt. Angesichts einer Bündelung könne der Arbeitgeber die Reallohnentwicklung aber nur einheitlich bestimmen, was zu Vorund Nachteilen gegenüber einer genauen, auf den konkreten Tag des Ruhestandseintritt abstellenden Bewertung führe, was der Gesetzgeber aber hingenommen habe. Dem Arbeitgeber sei auch ein Ermessen eingeräumt, was ihr eine Auswahl der Bewertungsgrundsätze im Rahmen billigen Ermessen erlaube. Da zahlreiche Vergütungsbestandteile auf das Kalenderjahr bezogen seien, sei es auch sinnvoll, auf die Jahresbezüge eines Kalenderjahres abzustellen. Dies führe zu keinen unbilligen Ergebnissen. Der Arbeitgeber habe nach dem klaren Wortlaut des § 16 Abs. 2 BetrAVG die Wahl, ob er der Anpassung den Verbraucherpreisindex oder die Nettolohnsteigerung zugrunde lege. Eine Beschränkung dieses Wahlrechts bestehe nicht. Die Zugrundelegung eines Prüfzeitraumes bis zum Anpassungsstichtages möge der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechen, sei aber unzutreffend. Wenn das Bundesarbeitsgericht auf die Verhinderung der Entwertung der Betriebsrente durch Kaufkraftverluste abstelle, so stehe dem § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG entgegen, wonach eine Anpassungsverpflichtung des Arbeitgebers entfalle, wenn er sich zu einer jährlichen Anpassung der Betriebsrente um mindestens 1 % verpflichtet habe; die Teuerungsrate habe in den letzten Jahren aber weit mehr als 1 % betragen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verstoße gegen die Verfassung. Die Auslegung des Begriffes des „billigen Ermessens“ im Rahmen der Betriebsrentenanpassungen habe Auswirkungen auf die unternehmerische Handlungsfreiheit. Die unrichtige Anwendung des Begriffes verletze die Beklagte daher in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Ferner werde die allgemeine Handlungsfreiheit der Beklagten (Art. 2 Abs. 1 GG) eingeschränkt. Zudem beinhalte die Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG, wodurch auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbetrieb geschützt sei. Sie beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts München – 38 Ca 1154/10 – vom 22.12.2010 abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er hält der Beklagten entgegen, § 16 Abs. 1 BetrAVG nenne keinen Prüfungszeitraum, sondern einen Prüfungstermin. Danach habe alle drei Jahre eine Rentenanpassung zu erfolgen. § 16 Abs. 2 BetrAVG spreche von einem Prüfungszeitraum. Dieser Begriffsinhalt sei durch teleologische Auslegung zu ermitteln. Angesichts erstrebter Verhinderung der Entwertung der Betriebsrente durch Kaufkraftverlust, beginne er mit dem Eintritt in den Ruhestand und ende mit dem jeweiligen Anpassungsstichtag. Der einheitliche Prüfungszeitraum gelte nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Anpassung nach dem Verbraucherpreisindex ebenso wie für die reallohnbezogene Obergrenze ab dem Ruhestandseintritt. Den dreijährigen Prüfungszeitraum habe die Beklagte bei der Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze nicht richtig angewandt. Auch habe sie die Referenzgruppe der vergleichbaren Arbeitnehmer unzutreffend festgelegt. Verfassungsverstöße der Rechtsprechung lägen nicht vor. Weder sei Art. 12 Abs. 1 GG mangels einer objektiven berufsregelnden Tendenz verletzt noch sei die unternehmerische Handlungsfreiheit betroffen. Ebenso fehle es an einem Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG oder in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG. Wegen des Sachvortrags der Parteien im Einzelnen wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 13. Sept. 2010 (Bl. 1 ff. d. A.), vom 14. Dez. 2010 (Bl. 75 ff. d. A.) und vom 18. Apr. 2011 (Bl. 268 ff. d. A.), der Beklagten vom 10. Nov. 2010 (Bl. 54 ff. d. A.) und vom 28. Feb. 2011 (Bl. 235 ff. d. A.) sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 22. Dez. 2010 (Bl. 183 f. d. A.) und vom 10. Mai 2011 (Bl. 274 ff. d. A.) Bezug genommen. Die Berufung ist nach § 64 Abs. 1, 2b ArbGG statthaft sowie in rechter Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 2, § 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 66 Abs. 1 Sätze 1, 2, 5 ArbGG, § 222 ZPO). Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben. Auf die inhaltlich zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird vorweg Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Hinsichtlich der Berufungsangriffe ist ergänzend auszuführen: 1. Die vom Kläger errechnete Teuerungsrate seit seinem Eintritt in Ruhestand hat der Kläger zutreffend und von der Beklagten nicht bestritten mit 6,04 % errechnet und angegeben. Unbestritten folgt bei Zugrundelegung dieses Steigerungssatzes eine Rentenerhöhung nach dem klägerischen Begehren (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG). 2. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Berücksichtigung der Teuerungsrate seit Renteneintritt des Klägers bis zur Betriebsrentenanpassung der Beklagten am 1. Juli 2009 bedingen kein abweichendes Ergebnis. a. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, auf die auch die Beklagte verweist, hat nach § 16 Abs. 1 BetrAVG eine Anpassung der laufenden Betriebsrenten im Rahmen von jeweils drei Jahren unter Berücksichtigung der Grundsätze des billigen Ermessens (§ 315 Abs. 1 BGB) zu erfolgen. Dabei sind die wirtschaftliche Lage der Beklagten, die nach dem Beklagtenvortrag nicht als entgegenstehend eingewandt ist, wie auch die Belange des Versorgungsempfängers, also des Klägers, zu berücksichtigen. Der Anpassungsbedarf bestimmt sich nach dem Kaufkraftverlust entsprechend der seit dem (individuellen) Ruhestandseintritt des Betriebsrentners eingetretenen Teuerungsrate, soweit sie nicht durch vorherige Anpassungen bereits ausgeglichen war. Der Anpassungsbedarf bestimmt sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, damit nicht nach dem formalen dreijährigen Turnus der Anpassungsprüfung, sondern berücksichtigt den Anpassungsbedarf insgesamt. Es ist das bei Ruhestandseintritt bestandene Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung wiederherzustellen; denn Betriebsrenten, denen Entgeltcharakter zukommt, stellen eine Gegenleistung für die im aktiven Arbeitsverhältnis erbrachte Arbeitsleistung dar. Vorstehendes gilt auch bei einer durch die reallohnbezogenen Obergrenze beschränkten Anpassung der Betriebsrente nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG. Für deren Ermittlung gilt derselbe Prüfungszeitraum, der nicht zur Disposition des Arbeitgebers steht (BAG v. 31. 7. 2007 – 3 AZR 810/05, AP BetrAVG § 16 Nr. 65); LAG München v. 8. 7. 2010 – 4 Sa 51/10 n.v.). § 16 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG führt zu keiner Verkürzung des Prüfungszeitraumes für die Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze etwa auf die der Anpassung unmittelbar vorangehenden drei Jahre. Vielmehr betrifft diese Norm, wie sich schon aus ihrem Wortlaut ergibt, allein diejenigen Fälle, da eine Anpassung allein wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens zu Recht ganz oder teilweise unterblieben war (vgl. z.B. BAG v. 10. 2. 2009 – 3 AZR 610/07, AP BetrAVG § 16 Nr. 70; BAG v. 31. 7. 2007, a.a.O.; BAG v. 30. 8. 2005 – 3 AZR 395/04, AP BetrAVG § 16 Nr. 56; LAG München v. 8. 7. 2010, a.a.O.; vgl. auch Schipp, ArbRB 2008, 192, 193). b. Dieser Ansicht schließt sich die erkennende Kammer an. Allein durch den synchronen Verlauf der Prüfungszeiträume zur Ermittlung des subjektiven Anpassungsbedarfes nach der Teuerungsrate und der reallohnbezogenen Obergrenze wird, wie vom Betriebsrentengesetz erstrebt, eine Auszehrung der Betriebsrenten im zeitlichen Verlauf vermieden. Umgekehrt wird dadurch die Gesamtbelastung aus den bestehenden Versorgungsverpflichtungen auch für den Arbeitgeber berechenbar gehalten (BAG v. 10. 2. 2009, a.a.O.; LAG München v. 8. 7. 2010, a.a.O.). aa. Die Ausführungen der Beklagten, die Schwierigkeiten der Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze ab dem individuellen Ruhestandseintritt bzw. bis zu einem innerhalb eines Kalenderjahres liegenden Prüfungszeitpunkt bedinge Schwierigkeiten, machten es selbst einem großen Unternehmen der IT-Branche, noch mehr einem anderen Unternehmen, faktisch unmöglich, sich hierauf berufen zu können, hat bereits die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts München (Urt. v. 8. 7. 2010, a.a.O.) als „argumentationsdramaturgisch und interessengeleitet überzeichnet“ angesehen. Dem ist aus Sicht der erkennenden Kammer nichts hinzuzufügen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gewährt dem Arbeitgeber vielmehr einen weiten Entscheidungsspielraum bei der Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze und der Differenzierung der Beschäftigtengruppen. Er kann die Anpassungsentscheidungen zu einem einheitlichen Jahrestermin bündeln, zu dem er vorbezeichnete Vorgaben mit vertretbarem Aufwand ermitteln kann. Die Tatsache einer möglichen Festlegung von Bündelungsterminen, die zu einer aufwendigeren Errechnung der reallohnbezogenen Obergrenze nach den Vorgaben der Rechtsprechung führten, sind nicht geeignet, die Vorgaben des Betriebsrentengesetzes und die darauf bezogene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Zweifel zu ziehen. Diese führten auch nicht zwangsläufig zu einer Beschränkung einer nicht von der wirtschaftlichen Lage der Beklagten gebotenen Anpassung auf die behauptete Nettolohnsteigerung von 2,91 % für den Zeitraum 1. Jan. 2006 bis 31. Dez. 2008 (die Beklagte hatte ihren Angaben die Nettolohnsteigerungen für die Kalenderjahre 2006 – 2009 zugrunde gelegt) bzw. 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2009 (vgl. Schriftsatz vom 28. Feb. 2011, Seite 3 unter Punkt a., Bl. 237 d. A. und Seite 4 unter Punkt c., 2. Absatz, Bl. 238 d. A., wonach nur auf die seit 1. Juli 2006 verstrichene Zeit abzustellen sei), welche die Beklagte nebeneinander anführt. bb. Die Regelung des – durch das Rentenreformgesetz vom 16. 12. 1997 (BGBl. I, S. 2998) eingeführten – § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG führt ebenso zu keinem anderen Ergebnis. Der Beklagten ist zuzugestehen, dass eine jährlich 1 %ige Anpassung die Teuerungsrate in den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts weniger als die jährliche Teuerungsrate bedeutete. Hieraus kann aber nicht auf einen gesetzgeberischen Willen geschlossen werden, die Rentenanpassung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG diene gerade nicht dem Kaufkrafterhalt. Mit der Regelung des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG trug der Gesetzgeber vielmehr der Kritik Rechnung, die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung stagniere, insbesondere aufgrund erheblicher wirtschaftlicher Belastungen der Arbeitgeber durch die Anpassungsprüfungspflicht sowie deren Unkalkulierbarkeit. Demzufolge eröffnete er dem Arbeitgeber die Möglichkeit, sich von der Anpassungsprüfungspflicht zu befreien (Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, 5. Aufl. § 16 Rz. 295). Die Mindestanpassung gewährt dem Arbeitgeber Kalkulationssicherheit hinsichtlich der nach Rentenbeginn zu leistenden Anpassungsbeträge. Wenngleich die Höhe der jährlichen Mindestanpassung mit 1 % voraussichtlich jeweils unterhalb der Teuerungsrate oder der reallohnbezogenen Obergrenze (§ 16 Abs. 2 Nr. 6 BetrAVG) des nach § 16 Abs. 1 BetrAVG maßgeblichen dreijährigen Anpassungszeitraumes liegt, erhalten die begünstigten Arbeitnehmer im Gegenzug jedoch eine von der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers unabhängige Anpassung und damit größere Sicherheit und Stabilität hinsichtlich der Entwicklung ihrer Betriebsrenten. Ferner ist die § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG entsprechende vertragliche Anpassungsregelung nicht nur hinsichtlich des Versorgungsanspruchs nach § 7 Abs. 1 BetrAVG, sondern auch bezüglich der unverfallbaren Versorgungsanwartschaft bei vorzeitigem Ausscheiden (§ 7 Abs. 2 BetrAVG i.V.m § 2 Abs. 5 BetrAVG insolvenzgeschützt (Blomeyer/Rolfs/Otto, a.a.O., § 16 Rz. 297). c. Im Übrigen bedingt die oben (II. 2. b. a.E.) angeführte Zugrundelegung unterschiedlicher Zeiträume für die Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze durch die Beklagte erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der errechneten 2,91 % Nettolohnsteigerung. Denn der Vortrag der Beklagten ist insoweit widersprüchlich. Ihre Zahlen sind, wie die Beklagte die von ihr vorgetragenen Zahlen bezogen auf Ende 2005 errechnet (Schriftsatz vom 10. Nov. 2010, Seite 4 unter Punkt a., Bl. 57 ff. d. A.). Damit legt sie nach eigenem Vortrag Vergleichszahlen für einen anderen Prüfungszeitraum vor, als nach ihrer Ansicht zugrunde zu legen war. 3. Nach alledem ist das Abstellen auf die reallohnbezogene Obergrenze (§ 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG) nicht möglich. Dabei kommt es auf die Frage der zutreffenden Gruppenbildung durch die Beklagte (eher bejahend LAG München v. 8. 7. 2010, a.a.O.; ablehnend z.B. LAG Hamburg v. 30. 4. 2010 – 6 Sa 62/09, n.v., Bl. 139 ff. d. A.) nicht an. 4. Gegen die bundesarbeitsgerichtliche Rechtsprechung, der die erkennende Kammer folgt, bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weder aus Art. 12 Abs. 1 GG noch aus Art. 2 Abs. 1 GG oder aus Art. 14 Abs. 1 GG. a. Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht gegeben. Die Regelungen des § 16 Abs. 1, 2 BetrAVG besitzen keine berufsregelnde Tendenz. Im Übrigen stellten sie keine nennenswerte Behinderung dar, wollte man eine berufsregelnde Tendenz annehmen. Das Bundesverfassungsgericht führt in seiner Entscheidung vom 29. 11. 1989 (– 1 BvR 14/02/87 und 1 BvR 1528/87, NJW 1990, 2053) „Steuerrechtliche Vorschriften sind nur dann an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn sie in engem Zusammenhang zur Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (…). Deshalb können sie Art. 12. Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich auch dann berühren, wenn sie nicht unmittelbar auf die Berufsfreiheit abzielen, sondern nur in ihrer tatsächlichen Auswirkung geeignet sind, diese zu beeinträchtigen. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Zwar lassen sich auch durch die Gewährung steuerlicher Vergünstigungen gewisse Lenkungs- und Regelungseffekte erzielen, weil sich die Steuerpflichtigen in dem Bestreben, Steuerbelastungen zu meiden, eher den steuerbegünstigten Tätigkeiten zuwenden werden. Die Ausübung einer qualifizierten Nebentätigkeit wird jedoch auch nach Wegfall des § 34 Abs. 4 EStG weder unterbunden noch nennenswert behindert. Der Wegfall der Bestimmung macht die sinnvolle Ausübung solcher Tätigkeiten nicht unmöglich (…).“ Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne durch die Anwendung von § 16 Abs. 2 BetrAVG in der Auslegung der Norm durch das Bundesarbeitsgericht hat die Beklagte nicht vorgetragen. Ungeachtet dessen hat die Beklagte auch widersprüchlich vorgetragen (vgl. oben II. 2. c.), weswegen schon von daher ihre Verteidigung gegen das Klagebegehren ohne Erfolg bleibt. b. Ebenso fehlt es an einem Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Denn der Regelung des § 16 Abs. 2 BetrAVG fehlt schon kein spezifischer Berufsbezug. Die Betriebsrente stellt als Entgeltbestandteil Einkommen für die bereits erbrachte Arbeitsleistung, also die frühere berufliche Tätigkeit, dar. Dieses Einkommen soll nicht durch laufende Teuerung entwertet, sondern jeweils in angemessenen Abständen, welche das Gesetz mit 3 Jahren festlegt, der jeweilig eingetretenen Teuerungsrate angepasst werden. Dem trägt § 16 Abs. 2 BetrAVG Rechnung, ohne dass eine gleich geeignete Lösung zur Erreichung des erstrebten Zieles denkbar wäre. c. Ein Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG (eingerichteter und ausgeübter Gewerbetrieb) ist ebenso nicht zu erkennen. Insoweit fehlt es nach diesseitiger Ansicht bereits an einem Eingriff ins Grundrecht. Im Übrigen gilt das oben (b.) Gesagte. Rechtsmittelbelehrung: Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Revision einlegen. Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils. Die Revision muss beim Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt Postanschrift: Bundesarbeitsgericht 99113 Erfurt Telefax-Nummer: 0361 2636-2000 eingelegt und begründet werden. Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände - für ihre Mitglieder - oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder oder von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen, - wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt - und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben. Zur Möglichkeit der Revisionseinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de/. Dr. Künzl Geier Beck ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |