Mi, 23. April 2025, 11:44    |  Login:  User Passwort    Anmelden    Passwort vergessen
Arbeitsplattform NEWS URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE VIDEOS SITEINFO/IMPRESSUM NEWSLETTER
Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Text des Beschlusses
2 Verg 2/11;
Verkündet am: 
 14.04.2011
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Rechtskräftig: unbekannt!
Vorschrift des § 128 GWB n.F. ist dahin auszulegen, dass im Falle der Rücknahme des Nachprüfungsverfahrens vor der Sachentscheidung der Vergabekammer eine Entscheidung über die Kostenverteilung nach billigem Ermessen zu treffen ist
Leitsatz des Gerichts:

Kostenerstattung bei Erledigung

1.1. Die Vorschrift des § 128 Abs. 3 GWB n.F. ist dahin auszulegen, dass im Falle der Rücknahme bzw. der anderweitigen Erledigung des Nachprüfungsverfahrens vor der Sachentscheidung der Vergabekammer eine Entscheidung über die Kostenverteilung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

1.2. Jedenfalls dann, wenn bei einer summarischen Prüfung der bisherigen Sach- und Rechtslage eine sichere Beurteilung der wechselseitigen Erfolgsaussichten nicht ohne Weiteres möglich ist, ist es sachgerecht, davon abzusehen, alle in einer rechtlich schwierigen Sache für deren Ausgang bedeutsamen Rechtsfragen nur wegen der Verteilung der Kosten abzuhandeln, und statt dessen anderen Kriterien ein Gewicht für die Kostenverteilung einzuräumen, z. Bsp. dem tatsächlichen Verhalten und der Selbsteinschätzung der Beteiligten.

2. Die Vorschrift des § 128 Abs. 4 GWB enthält weder ausdrücklich noch in ergänzender Auslegung eine Rechtsgrundlage für einen prozessualen Anspruch eines Beteiligten auf Erstattung seiner Anwaltskosten für den Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung in der Hauptsache (Divergenz zu Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 10.08.2010, W Verg 0008/10).
In dem Vergabenachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren) betreffend die im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 8. Juni 2010 (S 109-165447) ausgeschriebene Vergabe des Auftrags „Rettungsdienst einschließlich Mitwirkung bei Massenanfall an Verletzten“, hier: Entscheidung über die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer
Verfahrensbeteiligte:

1. …
Bieterin und Antragstellerin zu 1),
Beschwerdeführerin zu 2) und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
…

2. …
Bieterin und Antragstellerin zu 2),
Beschwerdeführerin zu 1) und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
…

3. …
Vergabestelle und Antragsgegner,
Beschwerdeführer zu 3) und Beschwerdegegner,
Verfahrensbevollmächtigter:
..

4. …
4.a) …
4.b) …
Bieterin und Beigeladene,
Verfahrensbevollmächtigter:
…

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und die Richterin am Oberlandesgericht Joost im schriftlichen Verfahren mit dem Schlusstermin vom 31. März 2011 beschlossen:

Die Sache wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung in der Sache vorgelegt.


Gründe


A.

Der Antragsgegner, eine kommunale Gebietskörperschaft, beabsichtigte die Vergabe des oben genannten Auftrags über Dienstleistungen für eine Vertragslaufzeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2016.

Er sandte am 3. Juni 2010 die EU-weite Bekanntmachung ab, wonach die Vergabe im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) - Ausgabe 2006 - erfolgen sollte. Der Auftrag war in zwei Gebietslose unterteilt.

Die Antragstellerin zu 1) rügte im Juni 2010 mehrere Vergabeverstöße im Zusammenhang mit dem Inhalt der Vergabeunterlagen. Sie hat mit Schriftsatz vom 5. Juli 2010 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt; die Nachprüfungsverfahren bei der 2. Vergabekammer des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt haben die Aktenzeichen 2 VK LVwA 13/10 – hinsichtlich des Loses 1 dieses Auftrages – und 2 VK LVwA 14/10 – hinsichtlich des Loses 2 des Auftrags – erhalten.

Am 7. Juli 2010 teilte der Antragsgegner allen Teilnehmern des Offenen Verfahrens mit, dass das Vergabeverfahren unterbrochen werde und der Schlusstermin der Angebotsfrist aufgehoben sei. Es solle eine Aufhebung der Ausschreibung geprüft werden.

Die Antragstellerin zu 2) rügte diese Verfahrensweise als vergaberechtswidrig und hat nach fruchtlosem Ablauf der von ihr gesetzten Abhilfefrist mit Schriftsatz vom 3. September 2010 einen Antrag auf Nachprüfung gestellt. Die hierdurch ausgelösten Nachprüfungsverfahren bei der 2. Vergabekammer des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt haben die Aktenzeichen 2 VK LVwA 26/10 – hinsichtlich des Loses 1 dieses Auftrages – und 2 VK LVwA 27/10 – hinsichtlich des Loses 2 des Auftrags – erhalten.

Der Antragsgegner hat sich gegen beide Nachprüfungsanträge verteidigt. Insbesondere hat er sich darauf berufen, dass wegen der jeweils erhobenen Rügen ein Zugang zum Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet sei, weil die Vergabe von Rettungsdienstleistungen in der ausgeschriebenen Art und Weise den Charakter einer Dienstleistungskonzession trage.

Die Vergabekammer hat die vier Nachprüfungsverfahren mit Beschluss vom 28. September 2010 miteinander verbunden unter Führung des Verfahrens 2 VK LVwA 13/10 (künftig: das Nachprüfungsverfahren) und die Beigeladene am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Die Beigeladene hat sich im Nachprüfungsverfahren der Rechtsauffassung des Antragsgegners angeschlossen.

Mit seinem Schreiben vom 7. Oktober 2010 informierte der Antragsgegner alle Beteiligten des Vergabeverfahrens, darunter die Beteiligten dieses Nachprüfungsverfahrens, darüber, dass er die Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 lit. b) VOL/A 2006 aufhebe. Die Aufhebung wurde am 15. Oktober 2010 im EU-Amtsblatt (S 201-305707) bekannt gemacht.

Daraufhin haben beide Antragstellerinnen das Nachprüfungsverfahren jeweils in der Hauptsache für erledigt erklärt und Kostenanträge gestellt, welche auf eine Kostenlast des Antragsgegners – jeweils einschließlich ihrer eigenen außergerichtlichen Aufwendungen – gerichtet sind. Der Antragsgegner hat sich der Erledigungserklärung beider Antragstellerinnen angeschlossen, jedoch eine vollständige Kostentragung durch die Antragstellerinnen zu 1) und zu 2) für geboten gehalten. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, jedoch ebenfalls die Auffassung vertreten, dass sich das Nachprüfungsverfahren im Hinblick auf die Aufhebung der Ausschreibung erledigt haben dürfte.

Die Vergabekammer hat mit ihrem Beschluss vom 25. Januar 2011 das Nachprüfungsverfahren wegen übereinstimmender Erledigungserklärung der Antragstellerinnen und des Antragsgegners eingestellt. Ihre eigenen Kosten (Gebühren und Auslagen) hat sie dem Antragsgegner auferlegt. Insoweit hat sie nach § 128 Abs. 3 S. 5 GWB n.F. eine Entscheidung nach billigem Ermessen getroffen und ausgeführt, dass der Antragsgegner nach ihrer Einschätzung bei Fortführung des Nachprüfungsverfahrens wohl unterlegen gewesen wäre. Insbesondere sei der ausgeschriebene Auftrag nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Naumburg und des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt in Magdeburg als Dienstleistungsauftrag zu bewerten. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten hat die Vergabekammer eine Kostenerstattung nicht angeordnet. Insoweit hat sich die Vergabekammer auf § 128 Abs. 4 GWB gestützt, dessen Wortlaut beim Fehlen einer Sachentscheidung der Vergabekammer auch keine Kostenerstattung vorsehe.

Diese Entscheidung ist der Antragstellerin zu 1) am 31. Januar 2011, der Antragstellerin zu 2) am 27. Januar 2011 und dem Antragsgegner am 28. Januar 2011 zugestellt worden.

Hiergegen haben die Antragstellerin zu 2) mit Schriftsatz vom 7. Februar 2011 – beim Oberlandesgericht Naumburg vorab per Fax eingegangen am selben Tage – und die Antragstellerin zu 1) mit Schriftsatz vom 8. Februar 2011 – hier vorab per Fax am Folgetage eingegangen – sofortige Beschwerde jeweils mit dem Ziel eingelegt, dass dem Antragsgegner auch ihre außergerichtlichen Auslagen im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer auferlegt werden mögen. Die Antragstellerinnen sind der Meinung, dass auch im Rahmen der nach § 128 Abs. 4 GWB zu treffenden Entscheidung über die Erstattungspflicht außergerichtlicher Kosten der Beteiligten Billigkeitserwägungen anzustellen seien, die hier wegen der von der Vergabekammer angenommenen Erfolgsaussicht der beiden Nachprüfungsanträge ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung dem Antragsgegner zur Last zu legen seien.

Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 11. Februar 2011 ebenfalls sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung der Vergabekammer eingelegt; er strebt die Auferlegung der Kosten der Vergabekammer auf die Antragstellerinnen an; insoweit wiederholt und vertieft er seine im Verfahren vor der Vergabekammer bereits vertretenen Rechtsansichten.

Die Antragstellerin zu 1) beantragt,

den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 25. Januar 2011 im Beschlussausspruch zu Ziffer 4 abzuändern und den Antragsgegner zu verpflichten, auch die der Antragstellerin zu 1) im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Kosten zu tragen, sowie festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin zu 1) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen sei, und

die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

Die Antragstellerin zu 2) beantragt,

den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 25. Januar 2011 im Beschlussausspruch zu Ziffer 4 abzuändern und den Antragsgegner zu verpflichten, auch die der Antragstellerin zu 2) im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Aufwendungen zu tragen, sowie festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin zu 2) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen sei, und

die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen;

sowie hilfsweise,

den Antragsgegner und die Beigeladene zu verpflichten, die der Antragstellerin zu 2) im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Aufwendungen zu tragen, sowie festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin zu 2) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen sei.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 25. Januar 2011 im Beschlussausspruch zu Ziffer 2 abzuändern und die Antragstellerinnen zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner zu verpflichten, die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer zu tragen, sowie

die sofortigen Beschwerden der Antragstellerinnen zu 1) und zu 2) jeweils zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat im Beschwerdeverfahren Stellung genommen; jedoch keine eigenen Anträge gestellt.

Der Senat hat mit Zustimmung aller vier Beteiligter durch Beschluss vom 22. März 2011 die Durchführung des schriftlichen Verfahrens angeordnet und einen Verkündungstermin anberaumt.


B.

Die sofortigen Beschwerden der beiden Antragstellerinnen und des Antragsgegners sind jeweils zulässig; ihr Erfolg ist von der Klärung einer Rechtsfrage abhängig, die der erkennende Senat in Abweichung von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts beantworten möchte.

Dies macht nach § 124 Abs. 2 GWB eine Vorlage an den Bundesgerichtshof erforderlich.

I. Auf das Nachprüfungsverfahren ist nach § 131 Abs. 8 GWB das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts am 24. April 2009 anzuwenden.

Das Vergabeverfahren, welches Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens gewesen ist, begann – wovon auch die Vergabekammer und alle Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens übereinstimmend ausgegangen sind – mit der Absendung der Vergabebekanntmachung an das Amtsblatt am 3. Juni 2010.

II. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind die Entscheidungen der Vergabekammer darüber, wer nach § 128 Abs. 3 GWB die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer i.S. von § 128 Abs. 1 und Abs. 2 GWB) zu tragen hat – hierauf bezieht sich allein die sofortige Beschwerde des Antragsgegners – sowie ob ein Beteiligter des Vergabenachprüfungsverfahrens nach § 128 Abs. 4 GWB einen prozessualen Anspruch auf Erstattung seiner zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen (Gebühren und Auslagen der Verfahrensbevollmächtigten) hat.

Hinsichtlich der letztgenannten Entscheidung geht der Senat von einer Vorlagepflicht nach § 124 Abs. 2 GWB aus. Hierauf beziehen sich die Rechtsmittel der Antragstellerinnen. Soweit es hinsichtlich der Erstattung von Aufwendungen auf eine Billigkeitsentscheidung der Vergabekammer ankäme, könnte diese unter Zugrundelegung der Auffassung des Antragsgegners auch zu dessen Gunsten zu treffen sein, weshalb auch eine isolierte Teilentscheidung über dessen Rechtsmittel durch den Senat nicht tunlich ist.


C.

Die Antragstellerinnen zu 1) und zu 2) und der Antragsgegner haben jeweils wirksam ihr Rechtsmittel gegen den sie beschwerenden Teil des Beschlusses der Vergabekammer eingelegt.

Alle Rechtsmittel sind frist- und formgerecht (§ 117 Abs. 1 bis 3 GWB) beim zuständigen Gericht (§ 116 Abs. 3 S. 1 GWB) eingelegt worden. Eine isolierte Anfechtung der Kostenlastentscheidung bzw. von Teilen hiervon ist statthaft (vgl. nur Stickler in: Reidt/ Stickler/ Glahs, VergabeR, 3. Aufl. 2011, § 116 Rn. 7 m.w.N.).


D.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners, der sich dagegen wendet, dass ihm die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer i.S. von § 128 Abs. 1 und Abs. 2 GWB) auferlegt worden sind, ist nach Ansicht des Senats unbegründet.

I. Allerdings geht der Senat – ebenso wie der Antragsgegner – davon aus, dass die Vergabekammer im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Hauptsache durch die Hauptbeteiligten des Nachprüfungsverfahrens nach § 128 Abs. 3 S. 5 GWB eine Kostenlastentscheidung nach billigem Ermessen zu treffen hat.

1. Der Wortlaut des § 128 Abs. 3 GWB ist nicht eindeutig; die Vorschrift bedarf daher der Auslegung.

a) Die Sätze 4 und 5 des Absatzes 3 beziehen sich beide auf die Fälle der Rücknahme des Nachprüfungsantrages und der anderweitigen – ohne Sachentscheidung der Vergabekammer herbeigeführten – Erledigung des Nachprüfungsverfahrens.

Dies ergibt sich für Satz 4 aus dessen Formulierung selbst und aus seinem – systematischen – Charakter als Ergänzung des Grundsatzes in Satz 1 dieser Rechtsnorm. Für Satz 5 folgt dies vor allem aus der Entstehungsgeschichte der Regelung (vgl. BR-Drs. 349/08 – Beschluss v. 04.07.2008 –, S. 27 f.: „Die Änderung in § 128 Abs. 3 Satz 4 neu GWB-E ... berücksichtigt nicht die Fälle ... Eine Regelung, nach der die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen erfolgt, ist deshalb vorzugswürdig.“; sowie – Anlage 4: Gegenäußerung der Bundesregierung –; S. 70 mit dem Gegenvorschlag, als § 128 Abs. 3 Satz 4 neu GWB einzufügen: „Hat sich der Antrag vor Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, erfolgt die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, nach billigem Ermessen.“). Zwar ist in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie des Bundestages vom 17.12.2008 im Rahmen der Zusammenstellung der Änderungen lediglich der Änderungsvorschlag des Bundesrates erfasst worden (BT-Drs. 16/11428, S. 25), ohne dass der Gegenvorschlag der Bundesregierung weitere Erwähnung gefunden hat (vgl. ebenda, Bericht S. 51). Dieser Umstand vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass sich beide Änderungsvorschläge – der letztlich Gesetz gewordene Änderungsvorschlag des Bundesrates ebenso wie der Gegenvorschlag der Bundesregierung – allein auf die Fälle einer Beendigung des Nachprüfungsverfahrens ohne Sachentscheidung der Vergabekammer bezogen haben. Eine Änderung oder Ergänzung des in Satz 1 normierten Grundsatzes der Kostentragung nach dem Verhältnis des Unterliegens im Falle einer Sachentscheidung der Vergabekammer war damit nicht verfolgt worden.

b) Bei isolierter Betrachtung des Wortlauts enthält Satz 4 eine starre Kostenregelung stets zu Lasten des Antragstellers, während in Satz 5 eine flexible Kostenentscheidung der Vergabekammer je nach den Umständen des Einzelfalls eröffnet wird.

Diese Regelungen widersprechen einander.

2. Der Senat folgt auch bei erneuter Prüfung dieser Auslegungsfrage der – soweit hier ersichtlich – einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, wonach im Falle der Rücknahme bzw. der anderweitigen Erledigung des Nachprüfungsverfahrens vor der Sachentscheidung der Vergabekammer eine Entscheidung über die Kostenverteilung nach billigem Ermessen zu treffen ist (vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 28.05.2010, 1 Verg 5/10; OLG Dresden, Beschluss v. 10.08.2010, W Verg 0008/10; ebenso Vavra in: Hattig/ Maibaum, PK Kartellvergaberecht, 2010, § 128 Rn. 20; Summa in: jurisPK-VergR, § 128 Rn. 31.6; Glahs in: Reidt/ Stickler/ Glahs, a.a.O., § 128 Rn. 18; Hardraht in: Willenbruch/ Wieddekind, KK Vergaberecht, 2. Aufl. 2011, 14. Los Rn. 38).

a) Die Entstehungsgeschichte des § 128 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB zeigt eindeutig den gesetzgeberischen Willen, für die Entscheidung über die Kosten des Nachprüfungsverfahrens im Falle der Erledigung ohne Sachentscheidung der Vergabekammer eine flexible Regelung zu treffen.

Es ist schon zweifelhaft, ob der ursprüngliche Änderungsvorschlag überhaupt als Neuregelung gemeint war oder lediglich gemäß der damaligen vergaberechtlichen Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Beschlüsse v. 25.10.2005, X ZB 22/05 und X ZB 24-26/05 – zur Kostenentscheidung bei Rücknahme des Nachprüfungsantrags – und v. 09.12.2003, X ZB 14/03 – zur Kostenentscheidung bei Erledigung des Nachprüfungsverfahrens ohne Entscheidung der Vergabekammer zur Sache –) auf eine klare Formulierung gerichtet war. Hierfür könnte sprechen, dass diese Änderung in der Begründung des Gesetzesentwurfes keine Erwähnung findet (vgl. BR-Drs. 349/08, S. 48). Jedenfalls ist dem weiteren Gesetzgebungsverfahren, wie vorausgeführt, zu entnehmen, dass nach ausdrücklichem Aufgreifen dieser Frage durch den Bundesrat ein Einvernehmen darüber bestanden hat, dass in diesen Fällen eine Billigkeitsentscheidung über die Kostenverteilung zu treffen sei. Diese Absicht hat im Normtext in Satz 5 des Absatzes 3 auch einen hinreichenden Niederschlag gefunden.

b) Die Regelung des § 128 Abs. 3 Satz 4 GWB behält auch bei diesem Normverständnis einen eigenständigen Regelungsgehalt.

Bereits in § 128 Abs. 3 Satz 3 GWB a.F. („Hat sich der Antrag vor Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, ist die Hälfte der Gebühr zu entrichten.“) war als Anreiz für die Beteiligten, insbesondere für den Antragsteller, für eine Rücknahme des Nachprüfungsantrages oder die Abgabe einer Erledigungserklärung eine obligatorische Reduzierung der Gebühren auf die Hälfte vorgesehen. Dieser Anreiz sollte bei der Neuregelung beibehalten werden und ist nunmehr in Satz 4 von Absatz 3 berücksichtigt (ebenso Vavra, a.a.O., Rn. 19; Hardraht, a.a.O., Rn. 38).

II. Es entspricht im vorliegenden Falle billigem Ermessen, die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer dem Antragsgegner aufzuerlegen und weder anteilig noch ganz den Antragstellerinnen zu 1) und zu 2).

1. Die Kostenentscheidung nach § 128 Abs. 3 S. 5 GWB ist eine Ermessensentscheidung, bei der im Allgemeinen der ohne die Erledigung zu erwarten gewesene Ausgang des Nachprüfungsverfahrens den Ausschlag gibt.

Es entspricht regelmäßig der Billigkeit, demjenigen Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der sie auch im Falle einer Sachentscheidung der Vergabekammer zu tragen gehabt hätte. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos.

2. Jedenfalls dann, wenn bei einer summarischen Prüfung der bisherigen Sach- und Rechtslage eine sichere Beurteilung der wechselseitigen Erfolgsaussichten nicht ohne Weiteres möglich ist und wenn – wie hier – gar in Betracht kommt, dass die Endentscheidung im Nachprüfungsverfahren von der Vorlage der Sache entweder an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens (Art. 267 AEUV) oder an den Bundesgerichtshof im Rahmen einer Divergenzvorlage (§ 124 Abs. 2 GWB) abhängt, ist es sachgerecht, im Einzelfall davon abzusehen, alle in einer rechtlich schwierigen Sache für deren Ausgang bedeutsamen Rechtsfragen nur wegen der Verteilung der Kosten abzuhandeln (vgl. BGH, Beschluss v. 08.11.1976, NotZ 1/76 – BGHZ 67, 345 m.w.N.; auch Vollkommer in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 91a Rn. 24).

Dann ist es angemessen, auch anderen Kriterien ein Gewicht für die Kostenverteilung einzuräumen, und statt auf die – hier unsicheren – Erfolgsaussichten eines Beteiligten auf das tatsächliche Verhalten und die Selbsteinschätzung der Beteiligten abzustellen. Hier hat der Antragsgegner die von der Antragstellerin zu 1) angegriffene Ausschreibung nicht zuletzt im Hinblick auf das Nachprüfungsverfahren aufgehoben und seinen Beschaffungsbedarf gerade nicht in diesem Vergabeverfahren befriedigt. Damit hat er der Hauptforderung der Antragstellerin zu 1) Rechnung getragen. Mit seiner endgültigen Aufhebung des Vergabeverfahrens hat er auch dem Ansinnen der Antragstellerin zu 2), welches gegen das zeitlich unbestimmte Moratorium des Vergabeverfahrens gerichtet war, abgeholfen. Mit dieser verfahrensbeendenden Entscheidung des Antragsgegners haben sich beide Antragstellerinnen abgefunden und diese akzeptiert. Dieses Verhalten der Beteiligten rechtfertigt es, dem Antragsgegner auch unabhängig von den objektiven, hier aber schwer zu bewertenden Erfolgsaussichten die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen, welches durch die letztlich zurückgenommene Ausschreibung veranlasst worden ist.


E.

Die sofortigen Beschwerden der Antragstellerin zu 1) und der Antragstellerin zu 2) sind nach Ansicht des Senats jeweils unbegründet.

Eine Rechtsgrundlage für einen prozessualen Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Erstattung ihrer jeweiligen Aufwendungen für die – als notwendig anzusehende – Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer sieht der Senat nicht. Aus demselben Grunde ist auch der Hilfsantrag der Antragstellerin zu 2) unbegründet. An einer entsprechenden eigenen Entscheidung sieht sich der Senat jedoch durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. August 2010 (W Verg 0008/10) gehindert.

I. Allerdings ist die Frage des Bestehens eines prozessualen Anspruchs auf Erstattung der Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung hier für beide Rechtsmittel entscheidungserheblich.

Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zur Vertretung im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren war für beide Antragstellerinnen jeweils notwendig.

1. Soweit nach § 128 Abs. 4 GWB für einen Verfahrensbeteiligten eine Pflicht zur Erstattung der Aufwendungen seines Verfahrensgegners besteht, ist sie im Umfang beschränkt auf die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen.

Diese Einschränkung entspricht auch dem in § 80 Abs. 2 (B)VwVfG enthaltenen Grundsatz, auf den § 128 Abs. 4 S. 4 GWB über § 1 Abs. 1 VwVfG LSA verweist.

2. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen.

Hier hat sie aus der für die Beurteilung maßgeblichen ex ante-Sicht sowohl für die Antragstellerinnen zu 1) und zu 2) bestanden.

Für einen Bieter, der einen Nachprüfungsantrag stellt, ist wegen des typischerweise bestehenden Informationsdefizits hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen der Maßnahmen und Entscheidungen der Vergabestelle, wegen der knappen Fristen und wegen der Komplexität und Schwierigkeit des nationalen und EU-Vergaberechts regelmäßig von der Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auszugehen (vgl. nur Vavra, a.a.O., § 128 Rn. 25). Dies gilt auch hier für die Antragstellerinnen zu 1) und zu 2).


II. Die Vergabekammer ist nach Ansicht des Senats zu Recht davon ausgegangen, dass in § 128 Abs. 4 GWB weder ausdrücklich noch in ergänzender Auslegung eine Rechtsgrundlage für einen prozessualen Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten eines Beteiligten für den Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung in der Hauptsache begründet wird.

1. Bereits die ursprüngliche Regelung des § 128 Abs. 4 GWB enthielt keine ausdrückliche Grundlage für einen Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Erstattung seiner Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens ohne Sachentscheidung.

Ebenso sah das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Sachsen-Anhalt in seiner damals geltenden Fassung, welches nach § 128 Abs. 4 S. 3 GWB a.F. entsprechend anwendbar war, eine Kostenerstattung im Falle der vorzeitigen Erledigung der Hauptsache nicht vor (vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 24.02.2005, 1 Verg 1/05 „Ingenieur-Bauwerke“). Zwar hat der Senat (wie auch andere Oberlandesgerichte) ursprünglich in den Fällen der übereinstimmenden Erledigungserklärung erwogen, ob eine Entscheidung der Vergabekammer bzw. des im Beschwerdeverfahrens z.T. an ihre Stelle tretenden Vergabesenats über eine Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten nach billigem Ermessen in Betracht kommt und insoweit angesichts des Fehlens ausdrücklicher Regelungen im 4. Teil des GWB die Möglichkeit eines Analogieschlusses geprüft. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 9. Dezember 2003 (X ZB 14/03; bestätigt durch Beschluss v. 24.03.2009, X ZB 29/08) war hierfür jedoch kein Raum mehr (vgl. insbesondere Beschlüsse jeweils v. 16.12.2004, 1 Verg 13/04 „Existenzgründer-Seminare II“, 1 Verg 15/04 „Existenzgründer-Seminare III“ sowie 1 Verg 16/04). Danach hat der Gesetzgeber bewusst und nicht etwa planwidrig davon abgesehen, eine der Kostenregelung des § 91a ZPO bzw. § 161 Abs. 2 VwGO entsprechende Bestimmung in das GWB aufzunehmen oder auf deren entsprechende Anwendung zu verweisen (vgl. auch nachfolgende Entscheidungen OLG Naumburg, z. Bsp. Beschluss v. 24.02.2005, 1 Verg 1/05 „Ingenieur-Bauwerke“; zuletzt Beschluss v. 12.07.2010, 1 Verg 9/10).

2. Für einen prozessualen Erstattungsanspruch eines Beteiligten des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens fehlt es auch nach der Modernisierung des Vergaberechts an einer Anspruchsgrundlage im GWB (so schon OLG Naumburg, Beschluss v. 05.10.2010, 1 Verg 12/10; ebenso Vavra, a.a.O., § 128 Rn. 31 f.; Hardraht, a.a.O., § 128 Rn. 59).

a) Die Vorschrift des § 128 Abs. 4 GWB ist lediglich für den Fall der Rücknahme des Nachprüfungsantrages um eine starre – für den zurücknehmenden Antragsteller ungünstige – Erstattungspflicht ergänzt worden (§ 128 Abs. 4 Satz 3 GWB n.F.).

Die anderweitige Erledigung findet in § 128 Abs. 4 GWB n.F. keine Erwähnung; ebenso fehlt es in dieser Vorschrift an einem Verweis auf eine Entscheidung nach billigem Ermessen. Der Wortlaut der Vorschrift ist mithin eindeutig (vgl. zur Bedeutung des Gesetzeswortlauts in § 128 Abs. 4 GWB auch OLG München, Beschluss v. 10.08.2010, Verg 7/10; ebenso Stoye/ v. Münchhausen VergabeR 2008, 871 <880>).

b) Die Verweisung in § 128 Abs. 4 S. 4 GWB n.F. auf die Vorschriften des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes führt zu keinem anderen Ergebnis, denn nach § 1 Abs. 1 VwVfG LSA n.F. (GVBl. LSA 2005, S. 698) sind die Vorschriften des § 80 Abs. 1 (B)VwVfG subsidiär anwendbar, die eine Pflicht zur Erstattung von Anwaltskosten für den Fall der Erledigung des Verwaltungsverfahrens ebenfalls nicht vorsehen.

c) Die Erwägungen zu einem Ausschluss der analogen Anwendung von Vorschriften aus der ZPO bzw. der VwGO gelten nach wie vor.

Es ist – im Gegenteil – davon auszugehen, dass eine insoweit unveränderte Nichtregelung trotz Kenntnis der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für die Richtigkeit der Annahme eines bewussten Absehens von der Begründung einer prozessualen Erstattungspflicht spricht.

3. Entgegen der Auffassung der beiden Antragstellerinnen ist die in § 128 Abs. 3 S. 5 GWB enthaltene Regelung nicht direkt oder entsprechend auf die Begründung einer Erstattungspflicht für Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten durch die Vergabekammer anwendbar.

a) Nach der Systematik des § 128 GWB ist zu unterscheiden zwischen den Kosten des Nachprüfungsverfahrens, die im Gesetz selbst ausschließlich als Gebühren und Auslagen der Vergabekammer definiert sind (vgl. Abs. 1), und den Aufwendungen der Beteiligten zur Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung im Nachprüfungsverfahren.

Während die Bestimmungen über die Verteilung der Kosten der Vergabekammer ausschließlich in Abs. 3 enthalten sind, sind alle die Aufwendungen der Beteiligten betreffenden Regelungen in Abs. 4 zusammengefasst. Der Gesetzgeber hat bereits mit diesem Aufbau des § 128 GWB zu erkennen gegeben, dass die Verteilung der Kosten und diejenige der Aufwendungen der Beteiligten nicht zwangsläufig denselben Regeln folgen, sondern auch unterschiedlich sein können. Danach wäre zu erwarten, dass sich eine Gesetzesänderung, die sowohl die Kostenverteilung als auch das Bestehen von Erstattungspflichten für Aufwendungen der Beteiligten betreffen soll, sowohl in Abs. 3 als auch in Abs. 4 niederschlägt.

b) Der systematische Aufbau des § 128 GWB ist vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt.

Die in § 91a ZPO oder § 161 Abs. 2 VwGO getroffene Regelung, dass bei übereinstimmender Erledigungserklärung in der Hauptsache das Gericht über die Kosten und die außergerichtlichen Aufwendungen der Parteien in gleicher Weise jeweils unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden habe, ist nicht etwa Ausdruck eines allgemeinen kostenrechtlichen Grundsatzes, sondern beruht auf einer für die Verfahren vor den ordentlichen und den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit angeordneten gesetzlichen Kostenfolge. Die Regelung, was kostenrechtlich für den Fall einer übereinstimmenden Erledigungserklärung zu gelten hat, kann in anderen Verfahren vor Gerichten und Verwaltungsbehörden mit anderem Inhalt getroffen werden. Für die Nachprüfungsverfahren nach dem GWB hat der Gesetzgeber durch die Verweisung auf § 80 VwVfG – und zwar in einem abschließenden Sinn – in Anlehnung an die Widerspruchsverfahren vor den Verwaltungsbehörden eine von anderen prozessualen Vorschriften abweichende Bestimmung getroffen. Diese Regelung ist nicht sachwidrig, da es sich bei den Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern der Sache nach um Verwaltungsverfahren handelt (vgl. BGH, Beschluss v. 09.12.2003, X ZB 14/03).

c) Beide Antragstellerinnen berufen sich hiergegen vor allem darauf, dass die Begründung für die Einfügung von Satz 5 in § 128 Abs. 3 GWB in gleicher Weise auch übertragbar wäre auf die Frage der Erstattungspflicht für Auslagen der Verfahrensbeteiligten.

Hieraus kann jedoch nicht auf eine entsprechende Regelungsabsicht geschlossen werden.

aa) Es erscheint schon zweifelhaft, ob der Vorschlag des Bundesrates überhaupt in diesem weiten, nicht auf die Verfahrenskosten der Vergabekammer selbst beschränkten Sinne zu verstehen ist.

Der Bundesrat bedient sich allein des Begriffs „Kosten“, Aufwendungen der Beteiligten werden nicht angesprochen. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich der Bundesrat bei seinem Änderungsvorschlag nicht der Differenzierung zwischen Abs. 3 und Abs. 4 des § 128 GWB bewusst gewesen wäre.

bb) Jedenfalls die Gegenäußerung der Bundesregierung lässt eindeutig erkennen, dass eine Billigkeitsentscheidung der Vergabekammer auf die ausdrücklich genannten Fallkonstellationen beschränkt bleiben sollte („Einer solchen – in § 128 Abs. 3 Satz 4 neu formulierten – Änderung stimmt die Bundesregierung zu.“).

cc) Entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen wäre es durchaus nachvollziehbar, dass die Gesetzesänderung allein auf die Regelung zur Verteilung der Verfahrenskosten beschränkt bleiben sollte.

Eine weitergehende, auf die Aufwendungserstattung der Beteiligten ausgedehnte Gesetzesänderung wäre u.U. mit erheblichen zusätzlichen finanziellen Belastungen der öffentlichen Hand durch die vergaberechtliche Nachprüfung verbunden. Angesichts der früheren Rechtsprechung zur ausschließlichen Kostentragungspflicht des Antragstellers im Falle der Rücknahme bzw. der anderweitigen Erledigung konnte jede Änderung nur dazu führen, dass künftig erstmals auch Kostenlasten auf die öffentlichen Auftraggeber zukommen konnten. Diese zusätzliche finanzielle Belastung der öffentlichen Hand durch die Nachprüfungsmöglichkeit mag im Bereich der Kosten der Vergabekammer noch als hinnehmbar erschienen sein, gerade unter Berücksichtigung der häufig bestehenden Gebührenbefreiung klassischer öffentlicher Auftraggeber. Dies lässt jedoch nicht darauf schließen, dass in gleicher Weise eine grundsätzliche Bereitschaft zur teilweisen Erstattung von Anwaltskosten der Antragsteller bestanden hat.

dd) Hingegen ist die mit der Modernisierung des Vergaberechts in § 128 Abs. 4 GWB neu geschaffene Regelung des Satzes 5 – die Abschaffung des Kostenfestsetzungsverfahrens bei den Vergabekammern – ein Indiz dafür, dass eine Begünstigung der Durchsetzung von Erstattungsansprüchen der Verfahrensbeteiligten hinsichtlich ihrer Anwaltskosten nicht im Vordergrund der Gesetzesänderungen gestanden hat.

d) Soweit schließlich für eine Übertragbarkeit der Regelung des § 128 Abs. 3 S. 5 GWB auf eine sonst nicht bestehende prozessuale Erstattungspflicht für Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten angeführt wird, dass anderenfalls dem der Sache nach (voraussichtlich) erfolgreichen Antragsteller zur Vermeidung nachteiliger Kostenfolgen nur die Möglichkeit verbliebe, anstelle einer Erledigungserklärung einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zu stellen, vermag diese der Prozessökonomie verpflichtete Überlegung eine andere Auslegung des § 128 Abs. 4 GWB nicht zu rechtfertigen.

Der Rückschluss auf eine beabsichtigte Vermeidung derartiger Verfahren aufgrund der objektiven Interessenlage ist möglich, aber nicht zwingend. Der Gesetzgeber hat z. Bsp. im selben Gesetz in § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB n.F. erstmals eine Ausschlussfrist zur Einreichung eines Nachprüfungsantrages nach Verweigerung der Abhilfe auf eine Rüge eingeführt, die auch die Gefahr „vorsorglicher“, d.h. in Unkenntnis des weiteren Fortgangs des Vergabeverfahrens eingeleiteter und sonst womöglich unterbleibender Nachprüfungsverfahren in sich birgt.


III. Im Hinblick auf die Hilfsanträge der Antragstellerin zu 2) ist ergänzend darauf zu verweisen, dass selbst dann, wenn ein prozessualer Erstattungsanspruch der Antragstellerin zu 2) aus irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht käme, er sich jedenfalls nicht gegen die Beigeladene richtete.

Die Beigeladene hat im Nachprüfungsverfahren keine eigenen Anträge gestellt. Ihre inhaltliche Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren erfolgte erst zu einer Zeit, als die von allen Beteiligten als erledigendes Ereignis angesehene Entscheidung des Antragsgegners zur endgültigen Aufhebung des Vergabeverfahrens bereits getroffen worden war.

IV. An einer Entscheidung im Beschwerdeverfahren im vorstehenden Sinne ist der Senat durch den entgegenstehenden Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. August 2010 (W Verg 008/10) gehindert.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sich in seinen Beschlüssen vom 29. September 2010 (VII-Verg 20/10) und vom 28.01.2011 (VII-Verg 62/10) bei geringfügig anderer Fallgestaltung gleichwohl pauschal der Auffassung des Oberlandesgerichts Dresden angeschlossen. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden befasst sich mit den Kostenfolgen einer Erledigung des Nachprüfungsverfahrens ohne Sachentscheidung der Vergabekammer und geht davon aus, dass die von der Vergabekammer zu treffende Billigkeitsentscheidung auch eine prozessuale Erstattung von Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten umfasst. Hiervon will der Senat abweichen. Deswegen wird die Sache gemäß § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

gez. Dr. Engel gez. Joost gez. Wiedemann
-----------------------------------------------------
Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).