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Text des Beschlusses
1 WF 215/11;
Verkündet am: 
 24.05.2011
OLG Oberlandesgericht
 

Jena
Vorinstanzen:
2 F 95/02
Amtsgericht
Heilbad Heiligenstadt;
Rechtskräftig: unbekannt!
In einem Versorgungsausgleichsverfahren ist ein Verfahrenswert nach § 50 FamGKG auch dann festzusetzen, wenn ein Antrag nach § 3 Abs. 3 VersAusglG nicht gestellt wird
Leitsatz des Gerichts:
§ 3 Abs. 3 VersAusglG, § 50 FamGKG

In einem Versorgungsausgleichsverfahren ist ein Verfahrenswert nach § 50 FamGKG auch dann festzusetzen, wenn ein Antrag nach § 3 Abs. 3 VersAusglG nicht gestellt wird.
In der Familiensache
F. B. L., B.
- Antragsgegner -
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt
- Beschwerdeführer –

gegen
H. M. L., M.
- Antragstellerin und Beschwerdegegnerin -
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die sofortige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners vom 08.03.2011, eingegangen am 09.03.2011, gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Heilbad Heiligenstadt vom 09.02.2011, zugestellt am 10.02.2011, Nichtabhilfeentscheidung vom 21.04.2011, Richterin am Oberlandesgericht Martin als Einzelrichterin am 24.05.2011 beschlossen:

1. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heilbad Heiligenstadt vom 09.02.2011 (2 F 95/02) wird in Ziffer 3 abgeändert und der Verfahrenswert für die Folgesache Versorgungsausgleich auf 1443,93 € festgesetzt.

2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 600,- € festgesetzt.



Gründe:


I.

Die am 16.10.1975 geborene Antragstellerin und der am 28.03.1978 geborene Antragsgegner haben beide die deutsche Staatsangehörigkeit.

Sie haben am 20.10.2000 vor dem Standesbeamten des Standesamtes in D. die Ehe miteinander geschlossen.

Mit Urteil vom 11.03.2003 hat das Familiengericht W. die Ehe der Eheleute geschieden und das Verfahren über den Versorgungsausgleich mit Beschluss vom 11.03.2003 gemäß § 628 Abs. 4 ZPO abgetrennt.

Das Amtsgericht hat den abgetrennten Versorgungsausgleich mit Beschluss vom 12.03.2003 ausgesetzt (§ 2 Abs. 1 Versorgungsausgleichsüberleitungsgesetz).

Das Amtsgericht hat das abgetrennte Versorgungsausgleichsverfahren am 09.03.2010 gemäß § 50 VAStrRefG nach neuem Recht wieder aufgenommen; zur Vorbereitung der Entscheidung hat es die damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers und der Antragsgegnerin persönlich angeschrieben und die Rententräger aufgefordert, eine aktuelle Berechnung einzureichen und einen Ausgleichswert vorzuschlagen.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat am 11.05.2010 für die Antragstellerin und die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland am 20.08.2010 für den Antragsgegner eine Auskunft erteilt.

Das Amtsgericht hat am 21.10.2010 darauf hingewiesen, dass ein Versorgungsausgleich anlässlich der Ehescheidung gemäß § 3 Abs. 3 VersAusglG bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren nur stattfindet, wenn ein Ehegatte dies beantragt. Ein Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs ist trotz Hinweis des Gerichts nicht binnen der gesetzten Monatsfrist gestellt worden. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 09.02.2011 festgestellt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.

Das Amtsgericht – Familiengericht – Heilbad Heiligenstadt hat in Ziffer 3 des Beschlusses vom 09.02.2011 für die Folgesache Versorgungsausgleich keinen Verfahrenswert festgesetzt. Im Hinblick auf die Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs war das Familiengericht der Auffassung, dass ein Verfahrenswert für die Folgesache Versorgungsausgleich nicht festzusetzen sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners in seinem Schriftsatz vom 08.03.2011.

Zur Begründung verweist der Verfahrensbevollmächtigte darauf hin, dass sehr wohl ein Verfahrenswert für das wieder aufgenommene Verfahren festzusetzen sei, wenn Anträge nach § 3 Abs. 3 Versorgungsausgleichsgesetz nicht gestellt werden, also von Seiten der Parteien auf die Durchführung des Versorgungsausgleiches verzichtet werde. In der vorliegenden Angelegenheit gelte dies um so mehr, als das Gericht mit Anschreiben vom 22.03.2010 ausdrücklich mitgeteilt habe, dass gemäß § 50 VersAusglG das Verfahren über den Versorgungsausgleich wieder aufgenommen worden sei und eine neue Nachricht erteilt werde, sobald die neuen Auskünfte der Versicherungsträger vorliegen.

Die Auskünfte seien dann auch tatsächlich für beide Parteien vom Gericht eingeholt und mit Verfügung vom 14.05.2010 bzw. 28.04.2010 auch ausdrücklich zur Stellungnahme übersandt worden. Vorliegend sei es also keinesfalls darum gegangen, abzuklären, ob überhaupt ein Versorgungsausgleich durchzuführen sei.
Es werde auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 15.06.2010 zum Az. 7 WF 10/10 verwiesen.

Es sei daher zwischen der Einleitung und der materiellrechtlichen Durchführung eines Versorgungsausgleichs zu unterscheiden. Letztere sei von dem hier nicht gestellten Antrag abhängig, verhindere aber denknotwendig nicht die bereits erfolgte Einleitung des Verfahrens. Dies zeige sich vorliegend auch bereits an der Einholung der Auskünfte durch das Gericht. Sowohl das Gericht als auch die beteiligten Ehepartner hätten im Rahmen einer Vorprüfung zu bedenken, ob § 3 VersAusglG zu beachten sei und die Parteien müssten zusätzlich die Folgen einer unterbliebenen Antragstellung bedenken und abschätzen.

Im Hinblick auf die genannten systematischen Gesichtspunkte sowie den eindeutigen gesetzgeberischen Willen sei daher für das vorliegende Verfahren ein Verfahrenswert festzusetzen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 15.03.2011 nicht abgeholfen.


II.

Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners gegen den Verfahrenswertbeschluss des Amtsgerichts ist statthaft und auch form- und fristgerecht eingereicht worden und damit zulässig.

Die Beschwerde ist auch begründet und führt bezüglich der Folgesache Versorgungsausgleich zu der im Tenor des Beschlusses ersichtlichen Verfahrenswertfestsetzung.

Gegen einen Beschluss des Familiengerichts, durch den der Verfahrenswert für die Gerichtsgebühren nach § 55 Abs. 2 FamGKG festgesetzt worden ist, findet die Beschwerde nach § 59 Abs. 1 Satz 1 FamGKG, § 32 Abs. 2 S. 1 RVG statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt. Vorliegend sind diese Voraussetzungen erfüllt. Insbesondere ist auch die Beschwerdefrist nach § 59 Abs. 1 Satz 3 FamGKG i. V. m. § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG gewahrt. Die Beschwerde des insoweit auch antragsberechtigten Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ist damit zulässig.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Das Amtsgericht hat das wiederaufgenommene Versorgungsausgleichsverfahren zutreffend nach Art. 111 Abs. 4 FGG-RG als selbständige Familiensache unter Anwendung des ab dem 01.09.2009 geltenden Rechts fortgeführt (vgl. auch Keidel/Engelhardt, FamFG, Art. 111 FGG-RG, Rn. 8).

Nach § 48 Abs. 2 VersAusglG gilt für „ausgesetzte” Versorgungsausgleichsverfahren unabhängig davon, ob die Aussetzung vor oder nach dem 01. September 2009 erfolgt ist, nicht nur neues materielles Recht, sondern auch neues Verfahrensrecht.

Der BGH hat mit Beschluss vom 16.02.2011 (Az. XII ZB 261/10, Quelle: www.juris.de) entschieden, dass der Wortlaut des Art. 111 Abs. 4 FGG-RG, wonach die von einem Scheidungsverbund nach altem Recht abgetrennten Verfahren zum Versorgungsausgleich bei Wiederaufnahme nach dem 1. September 2009 als "selbständige Familiensachen" fortgeführt werden, eindeutig gegen eine Fortführung als Folgesache spricht. Dafür spricht auch die Neuregelung des § 137 Abs. 5 FamFG, der ausdrücklich zwischen abgetrennten Folgesachen, die als solche fortgesetzt werden, und anderen Folgesachen, die als selbständige Verfahren fortgeführt werden, unterscheidet. Dass Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG für die Übergangsfälle eine Fortführung als selbständige Familiensachen anordnet, schließt eine Fortführung als Folgesache aus (vgl. OLG Jena, FamRZ 2010, 2099).

Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 FamGKG ist der Verfahrenswert für die Folgesache Versorgungsausgleich festzusetzen. Dies gilt in Fällen wie dem vorliegenden, in denen wegen der Kürze der Ehezeit nach § 3 Abs. 3 VersAusglG der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt wird und auch die Eheleute selbst einen entsprechenden Antrag zur Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht stellen. § 50 FamGKG gebietet die Festsetzung eines Verfahrenswertes in Versorgungsausgleichssachen auch in Verfahren mit kurzer Ehezeit wegen der nach § 224 Abs. 3 FamFG notwendigen materiell-rechtliche Feststellung des Familiengerichts zur Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 2011, 668; FamRZ 2011, 669; OLG Düsseldorf, FuR 2010, 525; vgl. auch Borth, FamRZ 2009, 562).

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung sah in § 3 Abs. 3 VersAusglG noch einen grundsätzlichen Ausschluss des Versorgungsausgleiches bei einer Ehezeit von bis zu zwei Jahren vor, um Versorgungsträger und Familiengerichte zu entlasten und dem regelmäßig fehlenden Interesse der Ehegatten an einer gerichtlichen Regelung Rechnung zu tragen (BT-Drucks. 16/10144, S. 9 und 49). Allerdings ist die geplante Ausschlussklausel nach den Beratungen im Rechtsausschuss nicht Gesetz geworden. Nach § 3 Abs. 3 VersAusglG findet nun bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren ein Versorgungsausgleich nur statt, wenn ein Ehegatte dies beantragt (Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Auflage, § 27 VersAusglG, Rn. 33).

Da es nach § 3 Abs. 3 VersAusglG nur auf die kurze Ehedauer ankommt, stellt sich die Frage, ob im Falle des § 3 Abs. 3 VersAusglG überhaupt ein Versorgungsausgleichsverfahren einzuleiten ist, wenn dies nicht von einem Ehegatten beantragt wird.

Absatz 3 verpflichtet das Gericht, in der Entscheidung festzustellen, ob und inwieweit der Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Ein Ausschluss oder Teilausschluss des Wertausgleichs bei der Scheidung kommt in den in der Norm abschließend aufgeführten Fällen in Betracht. Die Vorschrift stellt damit gleichzeitig klar, dass in diesen Fällen immer eine materielle Prüfung des Gerichts vorausgeht. Die Entscheidung nach Absatz 3 erwächst also in jedem Fall in Rechtskraft, und zwar mit den tragenden Gründen der Entscheidung. Dort hat das Gericht auszuführen, ob der Versorgungsausgleich wegen einer kurzen Ehezeit (§ 3 Abs. 3 VersAusglG), wegen einer wirksamen Vereinbarung der Eheleute über den Versorgungsausgleich (§§ 6 bis 8 VersAusglG), wegen geringfügigen Wertunterschieden oder Ausgleichswerten (§ 18 Abs. 1 oder Abs. 2 VersAusglG) oder wegen grober Unbilligkeit (§ 27 VersAusglG) ganz oder teilweise nicht stattfindet (BT-Drucksache 16/10144, S. 97).

Es ist daher formell von einer Verfahrenseinleitung auszugehen, da das Familiengericht nach § 224 Abs. 3 FamFG in den Fällen der kurzen Ehedauer in der Beschlussformel festzustellen hat, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Diese feststellende Entscheidung des Gerichts ist - weil auf einer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 VersAusglG umfassenden Rechtsprüfung beruhend - mit der Beschwerde nach § 58 FamFG anfechtbar und erwächst damit auch in Rechtskraft (Zöller/Lorenz, ZPO, 28. Auflage, § 224 FamFG, Rn. 4, 10; Keidel/Weber, FamFG, § 224, Rn. 8). Unabhängig davon, ob man im Sinne des § 137 Abs. 2 FamFG von einer „Einleitung“ des Versorgungsausgleichsverfahrens sprechen kann (Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O., § 3 VersAusglG, Rn. 13), führt die nach § 224 Abs. 3 FamFG notwendige materiell-rechtliche Prüfung in Bezug auf § 3 Abs. 3 VersAusglG dazu, insoweit einen Verfahrenswert nach § 50 FamGKG festzusetzen (siehe auch Borth, Das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs, FamRZ 2009, 562).

Da eine Ermittlung der ehezeitlichen Ausgleichswerte der Anrechte der Eheleute durch das Familiengericht erfolgt ist, hält der Senat es für sachgerecht, einen Verfahrenswert von 1443,93 € für die Versorgungsausgleichssache festzusetzen. Das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute zum Bewertungsstichtag beläuft sich auf 4813,11 €. Ausgehend von drei Anrechten der Eheleute sowie einem dreimonatigen gemeinsamen Nettoeinkommen von 4813,11 € errechnet sich der Verfahrenswert auf 1443,93 € (481,31 € x 3).

Der Senat hat davon abgesehen, lediglich den Mindestwert in Höhe von 1000,- € nach § 50 Abs. 1 S. 2 VersAusglG festzusetzen (so OLG Karlsruhe, FamRZ 2011, 668 für den Fall der Nichteinholung von Auskünften), da im vorliegenden Fall eine Ermittlung der ehezeitlichen Anrechte durch das Familiengericht stattgefunden hat

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 59 Abs. 3 FamGKG).

Martin
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